Die Erfinder des guten Geschmacks
auf ihrem Rücken tragen. Vor Ort sorgte er dafür, dass jedes Regiment über einen ausgebildeten Koch verfügte, führte den Feldkocher ein und stellte den Speiseplan um. Soyer hat »mit seine[r] Küche so viele Leben gerettet wie Florence Nightingale mit ihrem Krankenhaus«, schrieb der Morning Chronicle .
Alexis Soyer verstand sich auf Vermarktung: Fertigsaucen und dieser angeblich „magische“ Tischherd warteten auf englische Gourmets.
Aber auch seine eigene Gesundheit litt unter dem Feldzug. Nach London kehrte Soyer als kranker Mann zurück.
Mit dem Krim-Krieg beschäftigte sich auch sein letztes Buch Soyer’s Culinary Campaign . Darin ging es nicht nur um Rezepte, Soyer wurde sozusagen durch die eigene Feder zum Kriegshelden stilisiert. Illustriert wurde das Werk durch Abbildungen, die Kohlköpfe neben Kanonenkugeln zeigten.
Die Presse kritisierte ihn jetzt öffentlich für seine Eitelkeit:»Alexis der Schmackhafte öffnet seine Gewürzkiste und zeigt uns, wie Schlachten gewonnen werden«, schrieb die Times . »Solche und solche Portionen von Pfeffer und Salz führten zu einem Durchbruch oder zum Zurückdrängen eines nächtlichen Angriffs.«
Trotz unbestreitbarer Verdienste wollten die Briten Soyer nicht zum General ernennen. Ein Jahr darauf starb er.
Sein Feldkocher gehörte während des Zweiten Weltkriegs zur Standardausrüstung an der britischen Heimatfront und wurde bis zum Falklandkrieg fast unverändert von der Armee eingesetzt.
Soyer und Carême mögen die Starköche ihrer Zeit gewesen sein, doch die Küche insgesamt veränderte sich: Neue Herde kamen auf. Kochbuchautor Jules Gouffé (1807-1877), Küchenchef des Jockey Clubs, unterschied 1867 gusseiserne Herde und den Four à l’ancienne , also das alte Modell. Er war der Erste, der mit exakten Maßangaben für seine Rezepte arbeitete und zwischen drei verschiedenen Arten, Gerichte zu erwärmen, unterschied: der »Schmortopf-Flamme«, ruhig und gleichmäßig, der »Grilladen-Flamme«, gleichmäßig, aber nicht unbedingt ruhig, sowie der »Braten-Flamme«. Die Präzision Gouffés war bisher unerreicht: Auch bei Töpfen und Mörsern verzichtete er nicht auf einen empfohlenen Durchmesser.
Und nicht nur die Köche diskutierten über das Essen, das Wissen über die Feinschmeckerei war zumindest in Paris ein Statussymbol. Wer etwas auf sich hielt, ging weiterhin ins Aux Frères Provençaux und später, ab 1866, ins Café Anglais. Dort nämlich kochte Adolphe Dugléré (1805-1884), ein Schüler von Carême. Potage Germiny, Poularde Albuféra oder Pommes de terre Anna, also Gerichte, die es heute noch in klassischen Lokalen gibt, zierten seine Karte. Im Café Anglais fand 1867 daslegendäre sogenannte Drei-Kaiser-Dinner statt, dem es freilich stark an Kaisern fehlte: Wilhelm I. von Preußen wurde erst 1871 zum Kaiser proklamiert, Bismarck stieg nie in den Rang eines Kaisers auf. Blieb also Zar Alexander II., der sich Soufflé à la Reine, warme Wachtelpastete, Hummer Pariser Art, Champagner-Sorbet, Ente à la Rouennaise, Fettammern auf Canapés und noch vieles mehr schmecken ließ.
Doch die gute Küche war nicht allein in Restaurants zu Hause.
Tournedos mit Rossini, Kabeljau mit Dumas
Gioacchino Rossini etwa (1792-1868) war nicht nur Komponist, sondern auch bekennender Feinschmecker. Sein Wissen um die kulinarischen Künste wurde höchstens noch von seinen Kenntnissen über die richtigen Noten übertroffen. Und auch das ist Ansichtssache. Der Spruch eines Pasta-Händlers »Wenn er so viel von Musik versteht wie von Makkaroni, dann muss er sehr gute Sachen schreiben« brachte es bis in Rossini-Biografien, auch der Komponist selbst schrieb ausführlich und gern über das Essen: »Das, was die Liebe für das Herz ist, ist der Appetit für den Magen. Der Magen ist der Dirigent, der das große Orchester unserer Leidenschaften leitet […]« Die Diners für Rossinis Freunde waren in ganz Paris geachtet, das Tournedo-Rezept mit Toast, Rind, Foie gras und Trüffeln stammt von ihm selbst. In den Siebzigerjahren wurden seine Tournedos dank Nouvelle Cuisine zum Kalauer der Küchen: zu schwer, zu üppig – eben all das, was moderne Küche nicht sein sollte. Spott ist dennoch unangebracht. In der Trüffelsaison kamen zu Rossinis Zeiten immer die besten Gänselebern auf den Markt. Rinder schmeckten zu Anfang des Winters, wenn die Kühe gestärkt vom Gras der Sommerwiesen waren, wesentlich besser als nach ein paar Monaten Heudiät. Rossinis Tournedos waren
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