Die Erfinder des guten Geschmacks
Heimatstadt. Es folgte eine Kochlehre im Düsseldorfer Hotel Fürstenhof, Stationen in der Schweiz, Schweden und London. Im reputierten Savoy-Hotel arbeitete Kaufmann im Service, bediente Charlie Chaplin und Winston Churchill. Dann erreichte ihn ein Anruf seiner Eltern: Das Traditionslokal von Grevenbroich, von dem er als kleiner Junge immer geschwärmt hatte, stand zum Verkauf. Hoch verschuldet und mit einer großen Portion Idealismus begannen Kaufmann und seine Frau Elvira, die er in London kennengelernt hatte, die altehrwürdige Traube zu verändern, weg von der bürgerlichen Küche, hin zum Feinschmeckerlokal. Ein riskantes Unterfangen: Im nahen Köln und Düsseldorf hätte es für so etwas vielleicht einen Markt gegeben. Aber in Grevenbroich?
Doch Kaufmann erkochte sich Sterne, Punkte, Kochmützen und einen großen Namen mit Gerichten wie Parfait vom Stör mit zweierlei Kaviar, Variationen von der Gänseleber, schottischer Wildlachs auf rheinischem Stielmus und gefüllte Wachtel mit Kalbsbries. Zum Starkoch wurde Kaufmann nie, dazu fehlte ihm allerdings nicht das Talent, sondern das Temperament. Um jeden Preis im Rampenlicht stehen, das wollte er nicht.
In Wertheim-Bettingen hatte Adalbert Schmitt, ein Kunstoffunternehmer, 1971 die Schweizer Stuben gegründet. Erster Küchenchef des Hauses war Jörg Müller, der als Verstärkung bald seinen Bruder Dieter ins Lokal holte. Dieter Müller (*1948) war schon als Wehrpflichtiger für die »beste Bundeswehrküche« ausgezeichnet worden und lernte danach im Schweizerhof in Bern, beim bekannten Cuisinier Ernesto Schlegel. Vom Schweizerhof in die Schweizer Stuben wechselnd, wurde Müller schnell erfolgreich, erkochte dem Haus alle erdenklichen Auszeichnungen (zum Beispiel »Koch des Jahres« im Gault Millau 1987), bevor er ins Schlosshotel Lerbach in Bergisch Gladbach wechselte. Dort sorgte er mit einem aufwendigen Amuse-Bouche-Menü für Furore, Dutzenden kleinen Häppchen, millimetergenau zubereitet, wie Gänseleberterrine im Baumkuchenmantel auf Zimtzwetschgenconfit, sautierten Jakobsmuscheln mit Sauce Poulet, Blumenkohlpüree und Imperialkaviar, Loup de Mer mit Rillette von der Königskrabbe, Pimentofumet und Artischocken-Spinatflan, Cappuccino von Curry und Zitronengras mit Gambarettispieß, Sot-l’y-laisse von der Poularde, Rücken vom Müritzlamm in der Kräuterkruste und vielem, vielem mehr. Im Jahr 2008 übergab Müller das Restaurant seinem Schüler Nils Henkel und führt seitdem eine Kochschule.
Heinz Winkler (*1949) aus Brixen in Südtirol wurde zum Nachfolger von Witzigmann im Tantris. Als jüngster von elf Geschwistern arbeitete er bereits mit 14 Jahren in der Küche. Chef de cuisine war er schon zehn Jahre später. Dennoch entschied er sich noch vor seinem 30. Geburtstag, ein Jahr bei Bocuse zu arbeiten, bevor er den Chefposten im Tantris annahm. Mit 32 wurde er mit drei Sternen ausgezeichnet, damals war er der jüngste derart geehrte Koch. Die Münchener hatten jetzt die Auswahl zwischen zwei exzellenten Restaurants: Tantris und Aubergine. 1991 machte sich Winkler mit seiner Residenz in Aschau selbstständig – und bürdete sich 14 Millionen DM Schulden auf. Dennoch wurde das Haus zum Erfolg, finanziell und kulinarisch. Winkler kann und will den französischen Einfluss mit Gerichten wie Variationen von der Entenleber, geräuchertem Störfilet mit Wasabi und Saiblingskaviar, Wildlachs mit Avocado, Eisenkraut und Radieschen oder geschmorten Kalbsbäckchen in Burgundersauce nicht leugnen. Er kocht geradlinig und souverän, damals wie heute.
Überraschend zügig baute sich also in der Folge von EckartWitzigmann in Deutschland eine kulinarische Szene auf, die von Restaurantkritikern wie Wolfram Siebeck, Gert von Paczensky und Klaus Besser begleitet wurde.
Das Magazin Der Feinschmecker erschien erstmals 1975. Drei Jahre darauf gründete Klaus Besser sein Besser’s Gourmet Journal , das später zum VIF Gourmet-Journal wurde.
Dieter Kaufmann, der bescheidene Spitzenkoch aus der Grevenbroicher „Traube“ wurde unter anderem durch Störparfait mit Kaviar bekannt.
Erstklassige Zutaten waren damals nicht einfach zu besorgen, zumindest kamen sie selten von einheimischen Betrieben. Die Lösung für dieses Problem kam aus der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn, genauer gesagt von Karl-Heinz Wolf, seines Zeichens Koch und Inhaber des Chez Loup in der Bonner Oxfordstraße 18. Wolf, der im Negresco in Nizza gelernt hatte, war mit der deutschen Versorgungslage
Weitere Kostenlose Bücher