Die Erfinder Des Todes
Sache war zu wichtig, als dass er sich von irgendetwas ablenken lassen durfte.
Es war schlimmer, viel schlimmer als die entsprechende Szene des Fernsehspiels. Schlimmer, unendlich viel schlimmer als das, worauf ihre Vorstellungskraft sie vorbereitet hatte. Ihr erster Gedanke war, er sei tot. Kit saß nackt und zusammengesunken auf der Toilette, seine Arme waren an der Wand, die Beine mit Fußfesseln an der Toilette angekettet und nach hinten gezogen.
Seine Haut war weiß, der Kopf auf die Brust gesunken. Er wurde nur von den Fesseln aufrecht gehalten. Sie konnte kein Zeichen von Atmung oder Puls entdecken. In der Vene des linken Arms steckte eine Kanüle. Und an den Wänden um ihn herum waren amateurhafte Klecksereien, Bilder von Bäumen und Blumen in schauerlichen Schattierungen von Dunkelrot bis Rostbraun. Etwa die Hälfte der Wände des kleinen Badezimmers war bedeckt. Sie konnte nicht schätzen, wie viel Blut er dazu gebraucht hatte. Ihre Brust zog sich vor quälender Angst und Verzweiflung zusammen.
Mit einem wortlosen Stöhnen, das fast schon ein Schluchzer war, eilte Fiona zu ihm, ließ sich auf die Knie fallen und schlang die Arme um seinen kalten Körper. Ihre Augen waren tränennass. Zu ihrem Erstaunen fühlte sie eine kleine Bewegung an ihrem Gesicht. Dann spürte sie kitzelnd einen Atemzug wie ein leises Ächzen an ihrem Ohr.
»Kit?«, stammelte sie. »Kit? Kannst du mich hören?« Sie legte eine Hand an seinen Hals und konnte einen schwachen, unregelmäßigen Puls fühlen. Sie fasste mit den Händen seinen Kopf und hob ihn sanft zu sich hoch. Seine Augenlider zitterten, das Weiß der Augäpfel schimmerte durch die Wimpern. »Ich bin hier, Kit. Ich bin's, Fiona. Es wird alles wieder gut.«
Seine Augen öffneten sich einen Spalt, und er stöhnte. Sie hielt ihn fest und wollte verzweifelt ihre Wärme an ihn abgeben.
Schock, das war's. Blutverlust und die Kälte hatten eine Schockwirkung ausgelöst. Als Erstes musste sie ihn wärmen.
Fiona trat behutsam zurück und rannte ins Schlafzimmer. Sie ergriff einen Schlafsack, zwei Flanellhemden und ein Paar Jeans und lief ins Bad zurück. Sie legte den Schlafsack über seine Schultern und sprach dabei pausenlos beruhigend auf ihn ein.
Dann zog sie die Plastiktüte aus ihrer Jacke und nahm den Bolzenschneider heraus. Sie brauchte ihre ganze Kraft, aber schließlich gelang es ihr die Kette durchzuschneiden, die seine Beine hielt, und sie von den Fußgelenken abzunehmen. Seine Beine fühlten sich in ihren Händen steif und kalt an, aber sie zerrte sie vor die Toilette, steckte die Füße in die Jeans und zog sie bis zu den Knien hoch.
Als Nächstes nahm sie den Meißel und den Hammer und machte sich über die Fesseln her, mit denen er an die Wand gekettet war. Sie begann mit dem rechten Arm, schon nach zwei Schlägen war der Eisenhaken aus der Wand gerissen. Der Arm fiel schlaff zur Seite, und Kit stöhnte wieder.
Fiona ging auf die andere Seite und überlegte. Sie wollte nichts an der Kanüle in seinem Arm verändern, weil sie Angst hatte, beim Herausziehen würde es wieder zu bluten anfangen. Sie nahm eine Rolle Leukoplast aus dem Erste-Hilfe-Kasten, band den Klebestreifen sorgfältig über die Kanüle und klebte sie damit fest. Dann wiederholte sie die Prozedur mit Hammer und Meißel und befreite Kits linken Arm. Kit fiel nach vorn und sank wie eine leblose schwere Masse auf die Knie. Fiona hatte alle Mühe mit seinem massigen Oberkörper, aber sie schaffte es irgendwie, ihm die Hemden anzuziehen, indem sie die Ärmel abschnitt und diese über die Ketten und Handschellen streifte.
Dann zog sie ihn hoch, bis er stand. Vor Anstrengung ächzend, lehnte sie ihn gegen die Wand und zog ihm die Hose hoch. All das dauerte ihr zu lang, und plötzlich stieg Panik in ihr auf. Der Entführer konnte nicht weit weg sein. Sicher würde er nicht das Risiko eingehen, Kit allzu lange allein zu lassen.
Fiona ließ Kit auf die Toilette zurücksinken. Sie nahm die Kompressen heraus, bog sie hin und her, damit die chemische Reaktion ausgelöst wurde, die die lebensrettende Wärme produzieren würde, und steckte sie in die Hemden, wo sie an seiner Haut lagen. Dann ging sie wieder ins Schlafzimmer und suchte, bis sie ein paar dicke Socken und ein Paar ausgetretene Turnschuhe fand.
Als Nächstes machte sie im Wohnzimmer Halt, wo sie in einem der Schränke zwei Dosen Cola fand. Perfekt. Flüssigkeit und Zucker. Das Koffein würde wahrscheinlich kein Problem für einen Mann
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