Die Erfinder Des Todes
so eingerichtet hatte, dass er nie wieder Zeit, Kraft oder Gelegenheit haben würde, eine Beziehung einzugehen, die ihn zufrieden stellen würde. Aber in letzter Zeit hatte er doch manchmal darüber nachgedacht.
So viele seiner Freunde, die vor zwölf Jahren oder mehr mit einer Partnerin eine feste Beziehung begannen, waren inzwischen wieder allein stehend. Wenige schienen einen langen Atem zu haben. Vielleicht war es mit achtunddreißig nicht zu spät. Vielleicht war die Zeit gekommen, sich wieder mal öfter mit anderen Singles zu treffen. Wenn Francis Blake an seiner erklärten Absicht festhielt, gegen das Innenministerium zu klagen, war es denkbar, dass ein Sündenbock in herausragender Stellung gefunden werden musste. Das Desaster mit der misslungenen Aktion konnte durchaus bedeuten, dass er bald jede Menge Zeit haben würde. Wenn seine Vorgesetzten entschieden, er sei derjenige, der vor der Öffentlichkeit die Schuld auf sich nehmen solle, dann lief er zumindest Gefahr, auf einen bedeutungslosen Posten abgeschoben zu werden, wo er praktisch keine Stellung in der Öffentlichkeit mehr einnahm und die beruflichen Anforderungen minimal waren. Ohne eine ihn fordernde Arbeit würde er viel Zeit haben. Keine Zeit zum Tot-schlagen, sondern Zeit, um sich zu entwickeln.
Andererseits würde er den Schlüssel zum Geheimnis von Susan Blanchards Mörder vielleicht doch noch finden. Und während der Gedanke an ein Leben mit einer Partnerin oder sogar mit Kindern ihn wie ein ewiger Traum verfolgte, war sein Wunsch nach Befriedigung durch eine erfolgreich erledigte berufliche Aufgabe viel stärker, weil er deren berauschende Wirkung schon so oft erfahren hatte. Er wusste, dies konnte wieder Wirklichkeit werden, und er wurde dessen nie müde.
Mit einem Seufzer schloss Steve die Akte Francis Blake. Er hatte sie in der vorhergehenden Woche dutzende Male durchgelesen. Er hatte zwar nicht das ungute Gefühl, etwas übersehen zu haben, aber auch keine intuitive Idee, die ihm sagte, wohin seine nächste Spur führen könnte. Er wünschte, Fionas Rat hätte nicht mit seinem eigenen instinktiven Gefühl zu Blakes vermutlicher Reaktion übereingestimmt. Es hätte ihm wenigstens eine Angriffsfläche geboten, einen sonnenge-bräunten und arroganten Francis Blake wegen einer Zeugenaussage zu schikanieren. Aber er wusste, dass sie Recht hatte.
Der einzige Grund, weshalb er mit Blake reden wollte, war der Wunsch, einen Mann, den er verachtete, in eine unangenehme Situation zu bringen.
Wenn er im Zusammenhang mit diesem Fall an Fiona dachte, wurde sein Zorn wieder entfacht. Hätten sie doch nur weiter zusammenarbeiten können, dann würde er jetzt nicht in diesem Schlamassel stecken. Der Gedanke weckte eine verschüttete Erinnerung. Steve sprang auf und ging zum Aktenschrank. Ganz zu Anfang des Falls hatte Fiona ein Profil skizziert und einige Vorschläge für die Befragungen gemacht. In dem allgemeinen Chaos, das dann dazwischengekommen war, hatte Steve vollkommen vergessen, dass es dieses Profil gab, bis Fiona es am Abend zuvor beiläufig erwähnte, als sie über den Radfahrer sprachen.
Seine Finger blätterten nervös die Hefter durch, als er sich zu erinnern versuchte, wo er es abgelegt hatte. Beim zweiten Durchgang fand er, was er suchte. »FC, vorläufiger Bericht«, war mit schwarzem Filzstift auf den rechten oberen Rand eines hellbraunen Hefters gekritzelt. Steve lächelte und zog ihn heraus. Er war leider sehr dünn, deshalb hatte er ihn auch beim ersten Mal übersehen. Er schlug ihn auf und vertiefte sich in Fionas exakte, ihm vertraute Formulierungen. Wie immer hatte sie den Fall nicht mit Namen
versehen, da sie ihrem Universitätscomputer in Sachen Sicherheit nicht ganz traute.
Fall SP/35/FC
Das Opfer und der Tatort lassen sich beide in die Kategorie
»wenig gefährdet« einordnen. Sie war eine »anständige«
verheiratete Frau, die ihre Zwillinge dabeihatte, es gibt keine Anzeichen dafür, dass irgendjemand aus ihrem unmittelbaren Umfeld an kriminellen Aktivitäten beteiligt war. Der Tatort ist auf öffentlichem Gelände, war recht belebt und bot wenig, was die Aufmerksamkeit vom Geschehen ablenken konnte. Die Tat wurde bei helllichtem Tag begangen, nur wenige Meter von einer befahrenen Verkehrsstraße entfernt. Hampstead Heath gilt allgemein als eine bei Tageslicht eher sichere Parkfläche in der Hauptstadt, es gibt relativ wenig Polizeistreifen, und der Park ist nicht für Überfälle oder Drogenkriminalität
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