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Die Erfindung des Abschieds /

Die Erfindung des Abschieds /

Titel: Die Erfindung des Abschieds / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Kriminaloberrat Funkel wissen und ging durch die Reihen seiner Kollegen, die, auf zwei Räume verteilt, dasaßen und schwiegen; alle zwanzig Mitglieder der Soko Raphael waren anwesend, auch Tabor Süden, dessen Blicke von niemandem in der Runde erwidert wurden.
    »Es gibt zwei Möglichkeiten«, sagte Funkel, »entweder Sie geben es hier in Gegenwart vom Kollegen Süden zu, oder ich lasse jeden Einzelnen von Ihnen zu mir ins Büro kommen und nicht eher wieder gehen, bis ich die Wahrheit weiß.« Er sah sich um, kratzte sich an der schwarzen Lederklappe über dem linken Auge und wartete.
    »Ich sag euch, was ich glaube«, begann er dann, zögerte einen Moment, um Süden anzusehen, und nahm die rechte Hand aus der Jackentasche. »Ich glaube, dass das Zitat erfunden ist. Einer der Pressefuzzis hat es sich aus den Fingern gesogen, um uns zu provozieren. Der Chefredakteur behauptet zwar, er habe den Namen vorliegen, aber er lügt, so etwas würde niemand aus unseren Reihen sagen.« Er nahm auch die linke Hand aus der Tasche und stützte sich auf dem Tisch ab. »Trotzdem möchte ich gleich mit jedem Einzelnen von Ihnen ein kurzes Gespräch führen. Das ist eine ungewöhnliche Maßnahme, aber angesichts der Stimmung, die hier herrscht, erscheint mir das als eine Möglichkeit, wieder zur Vernunft zu kommen. Was in den Zeitungen steht und was das Fernsehen berichtet, ist zum Großteil Schwachsinn, bösartiger Schwachsinn. Da werden Dinge vermischt, die nichts miteinander zu tun haben, und ich werde nicht zulassen, dass unsere Abteilung oder auch nur ein einziger Beamter in den Dreck gezogen wird. Und ich bitte Sie alle noch einmal eindringlich, zu Ihrer Arbeit zurückzukehren und diese unsinnigen Anschuldigungen gegen den Kollegen Süden sein zu lassen, haben Sie mich verstanden?«
    Er hatte sich in Wut geredet, und das war genau das, was er vermeiden wollte. Unter normalen Umständen hätte der Misserfolg bei der Suche nach Raphael das Team eher zusammengeschweißt als auseinander gerissen, doch die Entscheidung, den abtrünnigen und umstrittenen Kollegen Süden genau zu dem Zeitpunkt wieder einzusetzen, als ein spektakulärer Fall scheinbar kurz vor der Aufklärung stand, und Süden noch dazu mit der wichtigsten Vernehmung zu betrauen, war auf derart extremen Widerstand gestoßen, wie ihn Funkel nicht erwartet hatte. Und das ärgerte ihn.
    Und sein Zorn wurde vor allem dadurch nicht weniger, dass Tabor Süden die Beschimpfungen und Beleidigungen einfach über sich ergehen ließ und bisher nichts unternommen hatte, um seine Position zu erklären und zu festigen, nicht einmal auf seine, Funkels, ausdrückliche Aufforderung hin.
    »Entschuldigung.« Lars Rossbaum hob den Arm.
    »Herr Kollege«, sagte Funkel, und ihm schwante nichts Gutes.
    »Ich möcht noch was sagen, und zwar …« Rossbaum bemühte sich, Süden nicht anzuschauen. »… Ich und der Kollege Gobert waren bei dem Anz mit dabei, und ich möcht sagen, dass ich das nicht verstanden hab, wie der Kollege … der Kollege Süden mit dem Verdächtigen gesprochen hat. Ich sag’s gleich, ich hab mit niemand von der Presse geredet, so was mach ich nicht, ich kann die Typen nicht leiden, aber ich möcht sagen, dass das schon seltsam war, was da abgelaufen ist in der Wohnung von dem Anz. Ich sag das jetzt, weil wir ja hier sitzen, um offen zu reden, oder hab ich das missverstanden? Das, was der Kollege Süden da gemacht hat, hab ich auf der Polizeischule nicht gelernt, und meinem Kollegen Gobert geht das genauso. Ich find auch, dass man das so nicht machen kann …«
    »Was machen?«, fragte Funkel schnell.
    »Die Zeit verschwenden bei der Vernehmung, ich mein, wir saßen da wie bei einem Kaffeekränzchen, und der Typ erzählte irgendein abgefahrenes Zeug aus seiner Kindheit. Wen juckt die Kindheit von so einem Typen? Mich nicht. Und wenn wir den Typ schneller ausgequetscht hätten, dann wär der Raphael uns nicht durch die Lappen gegangen, so seh ich das. Und mein Kollege Gobert hier sieht das genauso.«
    Zaghaft nickte Pit Gobert, während Rossbaum noch kurz stehen blieb und den stummen Beifall einiger seiner Kollegen entgegennahm, die ebenfalls nickten. Dann setzte er sich und schlug seinem Freund mit dem Handrücken gegen den Oberschenkel.
    »So wie ich das sehe«, sagte Funkel und machte sich mit einem Ruck vom Schreibtisch los, »und die Fakten geben mir Recht, ist es dem Kollegen Süden zu verdanken, dass August Anz uns endlich verraten hat, was er wirklich weiß.

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