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Die Erfindung des Abschieds /

Die Erfindung des Abschieds /

Titel: Die Erfindung des Abschieds / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Kugelschreiber auf die Personalakte, die aufgeschlagen vor ihm lag.
    In Funkels Büro roch es nach Rasierwasser und kaltem Pfeifenrauch, die Schreibtischlampe brannte, und die Deckenbeleuchtung war eingeschaltet. Auf einem zweiten Flipchart, das Sonja Feyerabend erst jetzt, nach einer halben Stunde, bemerkte, standen die Namen sämtlicher Personen, die bisher im Fall Raphael Vogel eine Rolle spielten, und dahinter in Klammern ihre Funktion.
    Sie spürte den Chianti und hoffte, die Eukalyptusbonbons, die sie auf der Herfahrt im Auto gekaut hatte, würden ihre Fahne kaschieren. Wie ein Gewicht hing die Müdigkeit an ihren Lidern, und sie bemühte sich, die Augen nicht länger als eine Sekunde zu schließen, ein hastiges Blinzeln, um nicht auf der Stelle zu Boden zu sinken und einzuschlafen.
    »Das bedeutet, er ist draußen, ist dir das bewusst, Sonja?«, sagte Funkel.
    »Das ist nicht meine Schuld.«
    »Ich schreib sofort den Brief, dann hat ihn das Ministerium noch heute Mittag vorliegen«, sagte Thon. »Bei der ganzen Arbeit, die wir im Moment haben, passt mir das überhaupt nicht, aber es muss sein.«
    »Hörst du mir zu, Sonja?« Funkel sah sie an, und sie hatte plötzlich unbändigen Durst. Unter dem Fenster standen Wasserflaschen, und sie entdeckte eine, die noch halb voll war. Sie schraubte sie auf und trank sie aus.
    »Ich hör genau zu«, sagte sie und klopfte mit dem Finger in die Ausbuchtung des roten Plastikverschlusses, so wie die Amsel an ihr Fenster geklopft hatte. »Ich hab genau verstanden, ihr wollt die Verantwortung abschieben, und zwar auf mich …«
    »Blödsinn!«, sagte Thon.
    »Du bist der Leiter der Vermisstenstelle«, sagte sie, »du bist Tabors direkter Vorgesetzter, warum redest du nicht ihm, das ist dein Job, Volker.«
    »Das ist nicht mein Job«, sagte er etwas zu laut, und Funkel hob missbilligend den Kopf. »Ich hab einmal versucht, mit ihm zu reden, das reicht mir. Wie ein Bettler bin ich in dieses Dorf gefahren und hab mich stundenlang durchfragen müssen, in welcher Waldhütte er überhaupt steckt. Nie wieder! Er will nicht mehr zurück, und ich bin der Letzte, der ihn dazu zwingt!«
    »Du wolltest überhaupt nicht mit ihm reden, du bist nur hingefahren, weil wir alle dich darum gebeten haben, das ganze Kommissariat hat dich angefleht, was zu unternehmen. Angefleht haben wir dich, wie die Idioten. Was mit Tabor los war, das hat dich doch einen Dreck interessiert …«
    Thon fuhr ihr scharf ins Wort. »Hör bloß damit auf, Sonja! Das ist nicht der Moment, um diese Geschichte wieder auszugraben …«
    »Das ist genau der Moment …«
    »Nein! Du selber – du hast gesagt, dass er verrückt spielt und den Märtyrer mimt und dass er sich was einbildet, das mit der Wirklichkeit nicht das Geringste zu tun hat. Du selber, Sonja, wolltest mit seinem Verhalten nichts mehr zu tun haben, du selber …«
    »Hast du Amnesie? Ich hab nie gesagt, dass ich mit ihm und seinem Verhalten nichts mehr zu tun haben will, ich hab gesagt, und wir alle waren dieser Meinung, dass er sich da in was reinsteigert und wir ihm nicht helfen können, und ich schon gar nicht wegen unserer privaten Geschichte von früher und wegen Charly, was soll denn das jetzt? Es ist dein verdammter Job als Chef, mit deinem Untergebenen zu reden und die Situation zu klären. Nicht meine! Mein Job ist das nicht!«
    Klackend landete der rote Verschluss auf dem Tisch.
    »Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob es wirklich eine gute Idee ist, Sonja zu ihm zu schicken. Er hat sich kein einziges Mal bei ihr gemeldet, wieso soll er jetzt auf einmal mit ihr reden wollen?«, sagte Funkel.
    »Ich versteh nicht, was ihr wollt«, sagte Thon. »Wir brauchen überhaupt niemanden zu ihm zu schicken, das wisst ihr genau. Sein Antrag auf Sonderurlaub ist abgelaufen, er hat keine Verlängerung beantragt, die er sowieso nicht gekriegt hätte, und damit ist die Rechtslage klar.«
    »Mit einer Rechtslage erreichen wir bestimmt eine Menge«, sagte Sonja. Ihr war kalt, sie wollte weg hier, schlafen, für ein paar Stunden sich selber gehören.
    »Wenn du willst, hol ich dir das Polizeiaufgabengesetz her«, sagte Thon, und Sonja fiel auf, dass er kein Halstuch trug, nur ein dunkelblaues Hemd und ein weißes T-Shirt. »Erinnerst du dich dran, wie lange ein Beamter Befreiung vom Dienst ohne Dienstbezüge beantragen kann? Ja? Wie lange, Sonja? Wie lange?«
    »Das wissen wir ja«, sagte Funkel und schaute auf die Uhr. Es war fünf Uhr acht.
    »Sechs

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