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Die Erfindung des Abschieds /

Die Erfindung des Abschieds /

Titel: Die Erfindung des Abschieds / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Monate oder länger, wenn der Herr Minister nichts dagegen hat«, sagte Sonja. Sie war zu müde, um auch noch Thons Besserwisserei ernst zu nehmen.
    »Falsch! Solange keine gewichtigen Gründe dagegensprechen. Und ein gewichtiger Grund ist zum Beispiel eine Schwangerschaft …«
    »Hör auf damit, Volker«!, sagte Funkel.
    Thon ließ sich nicht beirren. »Aber ein verschwundener neunjähriger Junge, der sich möglicherweise was antut, ist bestimmt kein gewichtiger Grund dafür, dass ein Beamter der Vermisstenstelle irgendwo im Wald hockt und sich von den Eichhörnchen die Nüsse kraulen lässt! Das ist ein massiver Verstoß gegen die Dienstvorschriften, und ich habe keine Lust mehr, so jemanden in meiner Abteilung zu dulden. Wir hatten einige Fälle in den letzten Monaten, bei denen wir den Kollegen Süden gut hätten brauchen können, und wir haben es ohne ihn geschafft. Ich hab ihm seinen Sonderurlaub zugebilligt. Und jetzt ist Schluss damit. Wir haben hier einen Fall, der von jedem von uns das Äußerste fordert, und wir können es uns nicht leisten, dass ein Kollege einfach ausfällt, weil er sich außer Stande sieht, sein seelisches Gleichgewicht wiederherzustellen. Das ist schlimm, aber wir haben einen vorzüglichen Psychologen im Haus, dessen Hilfe er abgelehnt hat. Wenn er nicht mehr Polizist sein will oder sein kann, dann werden wir das akzeptieren. Ich war dagegen, dich herkommen zu lassen, Sonja, ich hab zu Charly gesagt, ich bin für die Suspendierung, weil ich weit und breit keine Besserung seiner persönlichen Situation sehe. Tabor hat sich von uns verabschiedet, und auch wenn wir dadurch einen fähigen Mann verlieren, ist es nicht unsere Aufgabe, seine Krisen mitzumachen. Unsere Arbeit geht weiter. Dann werde ich mich eben darum bemühen, dass uns ein neuer Kollege zugeteilt wird. Charly wollte, dass du herkommst, er wollte, dass du noch einmal mit Tabor redest, obwohl ich darin keinen Sinn sehe. Und da du nun selber sagst, dass du kein Interesse daran hast, beenden wir das Gespräch. Wir haben einfach keine Zeit, uns länger mit einem Kollegen zu beschäftigen, der unsere Hilfe ablehnt und der offensichtlich nicht mehr in der Lage ist, ein normales Leben zu führen.«
    Er stand auf, warf Funkel und Sonja, die dabei war, ihren Mantel wieder aufzuknöpfen, einen Blick zu und ging zur Tür. Der Duft seines Aftershaves hatte Sonja gerade noch gefehlt, und sie hielt sich die Nase zu.
    »Ist was?«, fragte Thon.
    Sie wandte sich an Funkel. »Warum willst du, dass ich mit Tabor rede?«
    Funkel kratzte sich an der Oberkante seiner Augenklappe.
    »Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich das wirklich wollte«, sagte er.
    »Willst du, dass er bei uns bleibt oder nicht? Ja oder nein?«
    »Nein«, sagte Thon an Stelle des Oberkriminalrats.
    »Ja oder nein?« Sie ließ Funkel nicht aus den Augen. Er stand ebenfalls auf, bog seinen Rücken durch, stöhnte, rieb sich das rechte, gesunde Auge und kam um seinen Schreibtisch herum.
    »Ich kann es nicht verantworten, ihn weiter zu behalten. Wir haben ihm sechs Monate Sonderurlaub zugebilligt, und er hat die Frist um drei Monate verlängert, obwohl der Minister dagegen war, ich musste ganz schön an ihn hinreden, das weißt du. Tabor hat jetzt neun Monate frei gehabt, und wir haben die Arbeit für ihn mitgemacht, vor allem Martin und du, ihr seid am meisten für ihn eingesprungen, und ich hab nichts dagegen gehabt. Tab ist seit acht Jahren in der Vermisstenstelle, und jeder von uns weiß, was er in dieser Zeit geleistet hat. Ich hab einen ganzen Ordner voller Dankesbriefe von Eltern, denen er ihre Kinder zurückgebracht hat, oder von Leuten, die abgehauen sind und froh waren, als er sie aufgestöbert hat und sie sich bei ihm aussprechen konnten. So einen Kollegen setz ich nicht einfach auf die Straße, und ich hatte diese Idee, dass du die Einzige bist, die ihn aus seinem Wald herausholen kann. Aber jetzt hab ich meine Zweifel, es tut mir Leid, ich glaube, du hast Recht: Wieso sollst du dir das antun? Es ist nicht dein ]ob. Volker und ich müssten mit ihm reden, falls wir das wirklich wollten. Volker hat seine Gründe, es nicht zu tun, und ich finde diese Gründe überzeugend. Und ich – ich schätze seine Arbeit, und ich mag ihn als Kollegen, trotz seiner Eskapaden und seiner so genannten seherischen Fähigkeiten, die vor allem daher kommen, dass er viel Erfahrung und einen guten Blick für Menschen hat. Aber ich bin nicht sein Kindermädchen oder sein Therapeut, ich

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