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Die Erfindung des Abschieds /

Die Erfindung des Abschieds /

Titel: Die Erfindung des Abschieds / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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»ich bin so klein wie eine Ameise, und dafür hasse ich dich. Dafür hasse ich dich.«
    Für einen Moment glaubte er Asfur in der Tür stehen zu sehen, aber er täuschte sich und gab sich einen Ruck.
    »Was ist?«, fragte sie.
    »Ich hab gedacht, Asfur ist da.«
    Mit einer schnellen Bewegung drehte sie den Kopf zur Tür. »Wer ist Asfur?«
    »Mein Freund, ein Gnom«, sagte er ernst.
    »Verstehe«, sagte sie und machte sich von ihm los. »Du suchst dir immer die Kleinen als Freunde aus.«
    »Gehst du wieder von mir weg, Sonja?«, fragte er. Sie begriff nicht, was er meinte. »Wenn du bei mir bleibst, dann komm ich mit dir.«
    Sie sah ihn an und verstand ihn nicht.
    »Was?« Ihre dünne Stimme erinnerte sie an das Flüstern von Kirsten Vogel.
    »Kein Abschied mehr«, sagte er, und seine Augen weiteten sich, wie Sonja es oft gesehen hatte, wenn er Vernehmungen durchführte, mit undurchdringlicher Miene und derart konzentriert, dass die Befragten ihn nur noch anstarrten und dann langsam anfingen, die Wahrheit zu sagen.
    »Was meinst du damit, kein Abschied mehr? Und wenn ich sterbe?«
    »Wenn du stirbst, dann ist alles vorbei. Aber wenn du nicht stirbst, musst du bei mir bleiben.«
    »Du bist kindisch. Haben dich deine Pilze in ein Kleinkind verwandelt? Willst du mich etwa heiraten?«
    »Ich weiß nicht, ob ich dich heiraten will.«
    »Willst du mit mir zusammen wohnen? Was willst du, Tabor?«
    »Ich weiß nicht, ob ich mit dir zusammen wohnen will. Ich will, dass du nicht von mir weggehst, das ist doch ganz einfach.«
    »Und wenn ich nicht will?«
    »Dann bleibe ich hier, und du gehst weg.«
    »Gibt’s noch Tequila?«
    Er ging zum Fenster, holte die Flasche und schraubte sie auf.
    »Das macht mir Angst«, sagte sie.
    »Mir auch. Aber warum soll ich dich anlügen?«
    Sie nahm ihm die Flasche aus der Hand und trank.
    »Stimmt das?«, sagte sie und verzog den Mund, »dass du die beiden Jungs in dem Geschäft vermöbelt hast?«
    Er nickte.
    »Warum?«
    »Sie wollten mich nicht allein lassen.«
    »Man muss dich also alleine lassen, ohne dich zu verlassen«, sagte sie und hob die Flasche, um ihm zuzuprosten. Allmählich bekam sie Kopfschmerzen, sie war es nicht gewohnt, in bekleidetem Zustand Schwitzbäder in Kiefern-, Pilz- und Benzindämpfen zu nehmen und dazu vierzigprozentigen Alkohol zu trinken.
    »Du bist krank«, sagte sie und reichte ihm die Flasche, die er unverschlossen auf den Boden stellte.
    »Nein«, sagte er.
    Sie nahm seine Hand und führte ihn vor die Hütte. Es war stockdunkel. Der Regen tropfte von den Blättern, und die Grillen zirpten.
    »Ich kann dir das nicht versprechen«, sagte sie. »Und du kannst das nicht fordern.«
    Minuten verstrichen, während sie dastanden, ohne sich anzusehen. Es roch nach Benzin und nasser Erde. Dann hoben sie vorsichtig den Kopf, und wie funkelnde Käfer krabbelten ihre Blicke am Körper des anderen hinauf – und hielten auf gleicher Höhe inne.
    Und nach einer Minute reglosen Schauens besannen sie sich.
    »Hol deine Sachen!«, sagte Sonja. »Und nimm eine Taschenlampe mit!«
    »Ich hab nur Streichhölzer«, sagte Süden.
    »Was will man von einem, der Pilze raucht, auch anderes erwarten?«
    In diesem Moment klingelte Sonjas Handy.
     
    God is alive, magic is afoot, God is afoot, magic is alive, Magic never died …
    »Wann genau war er denn bei Ihnen, das müssen Sie doch noch wissen?«, fragte Sonja, als sie auf der Garmischer Autobahn nach München zurückfuhren. Karl Funkel hatte sie vorhin im Wald angerufen und ihr eine merkwürdige Nachricht mitgeteilt.
    »So gegen eins, das hab ich dem Herrn Funkel auch gesagt«, erwiderte Lilo, die gemeinsam mit Netty, deren letzter Kunde gerade gegangen war, in der Küche ihrer Wohnung saß und telefonierte.
    Es war halb zwei am Samstagmorgen.
    »Und er hat nichts gesagt, gar nichts?«, fragte Sonja.
    »Nein, er stürzte zur Tür rein, ich weiß nicht, ob er betrunken war oder sonst was, ging in mein Zimmer und stellte sich in die Dusche. Ich dachte erst, ich spinne, er hatte ja seine Klamotten noch an. Aber er wollte gar nicht duschen, er stellte sich nur rein und machte die Schiebetür zu. Ich hab mich aufs Bett gesetzt und gewartet. Er stand drin und sagte keinen Ton, der Martin.«
    »Sie haben ein Bett im Badezimmer?«
    »Ich hab eine Dusche im Schlafzimmer. Kundenservice.«
    »Und wie lange …« Sonja fummelte in der Ablage zwischen den Musikkassetten herum auf der Suche nach der Tüte mit den Eukalyptusbonbons. »Wie

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