Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erfindung des Abschieds /

Die Erfindung des Abschieds /

Titel: Die Erfindung des Abschieds / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
Vom Netzwerk:
seiner Leitung noch nie gegeben.
    »Die Sonderkommission arbeitet rund um die Uhr«, sagte Funkel. »Wir haben gute Fortschritte gemacht und wir können Ihnen den Namen des Zeugen nicht geben, dazu haben wir noch zu wenig in der Hand. Sie wissen doch selber, was dann passieren würde, der Mann wäre erledigt, alle würden sich auf ihn stürzen wie auf einen Tatverdächtigen, aber er ist kein Tatverdächtiger, er ist ein Zeuge, ein sehr wichtiger neuer Zeuge.«
    »Wieso ist Tabor Süden ausgerechnet heute zurückgekommen? Haben Sie ihn kommen lassen, weil Sie es ohne ihn nicht schaffen?«
    Funkel zögerte eine Sekunde, weil er damit rechnete, Thon würde etwas erwidern, aber der blieb stumm. So entstand ein peinliches Schweigen, das die Frage in einem ganz anderen Sinn beantwortete, als Funkel es beabsichtigt hatte.
    »Es ist ein Zufall, dass der Kollege Süden gerade heute seinen Dienst wieder angetreten hat und nicht an einem anderen Tag«, sagte Weber und räusperte sich; um solche Auftritte hatte er sich noch nie gerissen, aber Funkel wollte ihn dabeihaben, als optische Verstärkung. Er beugte sich vor und stieß mit dem Bauch gegen den Tisch, und die Mikrofone wackelten. »Wir sind froh, dass er wieder da ist und natürlich hoffen wir, dass es uns mit seiner Hilfe gelingt, den kleinen Raphael schnell zu finden.«
    »Was war denn mit ihm los, wo hat er sich aufgehalten?«
    »Darüber können wir ein andermal sprechen«, sagte Funkel, dankbar für Webers Einsatz.
    »Vielleicht hat er ja diesmal mehr Glück, der
Seher!
«, sagte der junge Mann, der Thon vorhin auf die Palme gebracht hatte.
    »Dieser Spitzname wurde dem Kollegen von Ihresgleichen verpasst«, sagte Thon, und sein Blick verfinsterte den Raum.
    »Haben Sie noch Fragen?«, sagte Funkel.
    »Wo ist dieser Zeuge, der mit Raphael zusammen war, jetzt?«
    »Hier im Haus, wir sprechen mit ihm, er hat uns bereits ein paar wichtige Dinge gesagt, und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie das Interesse Ihrer Leser und Zuschauer vor allem auf den Tierpark Hellabrunn lenken würden, wo Raphael am Montag möglicherweise gesehen wurde, wie ich Ihnen zuvor ausführlich erklärt habe. Der Tierpark, der Friedhof, die Strecke Pasing – Innenstadt, das kennen Sie ja bereits.«
    »Und Sie sind sich sicher, dass der Mann dem Jungen nichts angetan hat?«, fragte die Rothaarige.
    »Ja«, sagte Funkel.
    »Und Sie?«, fragte sie und schaute Thon an.
    »Wir haben keine Anhaltspunkte in dieser Richtung«, sagte der und bemühte sich, ruhig zu bleiben.
    »Sie sind sich also nicht sicher«, sagte die Frau, und Gemurmel machte sich breit, das Raunen erfahrener Journalisten, die ahnten, was gespielt wurde und dass die Polizei versuchte, sie hinzuhalten.
    Und Funkel wusste auch, was gespielt wurde.
    »Was ist, wenn der Mann, dessen Namen Sie uns verschweigen, Raphael doch was angetan hat, aber Sie ihn wieder laufen lassen müssen, weil Sie ihm nichts beweisen können? Wer übernimmt dann die Verantwortung, wenn die Leiche des Jungen gefunden wird? Sie, Herr Funkel? Treten Sie dann zurück?« Die Rothaarige degradierte alle ihre Kollegen zu Statisten. »Wie viele Kinder müssen eigentlich spurlos verschwinden, bis Sie etwas unternehmen? Sie brauchen uns doch nicht zu erzählen, dass Sie sonst immer mit legalen Mitteln vorgehen, wenn Sie einen Erfolg brauchen!«
    »Hören Sie auf!«, rief Thon über die Mikrofone hinweg. Polternd schnellte er vom Stuhl hoch. »Ich hab jetzt genug von Ihnen! Ich lass mich von Ihnen nicht provozieren, das ist die blanke Hysterie, die Sie hier verbreiten! Wer sind Sie überhaupt, ich kenne Sie nicht, und ich will Sie nie wieder in einer Pressekonferenz sehen, haben wir uns verstanden?«
    Weber hielt es für besser, geradeaus vor sich hin zu starren, anstatt seinen Vorgesetzten anzusehen, den er noch nie so unkontrolliert erlebt hatte.
    »Meine Damen und Herren«, begann Funkel, aber Thon unterbrach ihn.
    »Die Pressekonferenz ist beendet, Sie haben alle Informationen, mehr gibt es im Moment nicht zu sagen. Helfen Sie uns lieber bei der Suche und untergraben Sie unsere Arbeit nicht mit solchen Hirngespinsten und Unterstellungen! Sie werden es nicht schaffen, die Polizei, in aller Öffentlichkeit zu desavouieren! Sparen Sie sich Ihre Polemik und denken Sie mal darüber nach, was konstruktive Kooperation heißt! Guten Abend.«
    Er riss die Aktenmappe an sich und schob die Fotografen zur Seite, die eine Aufnahme nach der anderen von ihm machten. Beim

Weitere Kostenlose Bücher