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Die Erfindung des Abschieds /

Die Erfindung des Abschieds /

Titel: Die Erfindung des Abschieds / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Besprechungszimmer der Mordkommission stattfand, nahmen außer fünfzehn Journalisten von den Printmedien fünf Kamerateams teil, deren Scheinwerfer die drei Kommissare – Funkel, Thon und Weber – voll anstrahlten; Weber hatte wie meistens rote Ohren und zupfte an seinen buschigen Augenbrauen, während Thon die Arme auf den Tisch gelegt hatte und keine Miene verzog; von den dreien war er derjenige, der das schwierigste Verhältnis zur Presse hatte, er hielt die meisten Reporter für unseriös und hinterhältig, er traute ihnen nicht, und wenn in einem Bericht die Arbeit der Polizei kritisiert wurde, war er jedes Mal kurz davor, einen Leserbrief zu schreiben oder den Autor ins Dezernat zu zitieren, um ihm die Meinung zu sagen.
    Dagegen sonnte sich Funkel geradezu in der Aufmerksamkeit, die ihm die Medien zeitweise entgegenbrachten, was ihm besonders Hugo Baum, der Leiter der Pressestelle, der offiziell für alle Stellungnahmen aus dem Haus zuständig war, verübelte. Die Lockerheit, die Funkel demonstrierte, zahlte sich jedoch aus, da er auf diese Weise seine Informationen gezielter streuen konnte; die Journalisten vertrauten ihm und fanden es großartig, dass ihnen jemand Details verriet, der am Tatort war und zur Gruppe der Ermittler gehörte und nicht außerhalb stand wie der Mann im Pressebüro.
    Manchmal aber nützte Funkel seine ganze, mühevoll aufgebaute Strategie nichts, manchmal wollten die Reporter Blut sehen.
    »Stimmt es, dass Hauptkommissar Tabor Süden wieder im Dienst ist?«, rief eine junge rothaarige Frau, die am Rand der Journalistengruppe nahe bei der Tür stand.
    »Ja, was hat das mit diesem Fall zu tun?«
    »Wir haben erfahren, dass er einen Kollegen von Ihnen sucht, der untergetaucht sein soll. Heißt das, Ihre Abteilung kümmert sich mehr um ihre eigenen Leute als um den verschwundenen neunjährigen Jungen?«
    »Sparen Sie sich solche Unterstellungen, ja!«, sagte Thon und zeigte mit dem Finger auf die Frau.
    Fotoapparate klickten, Blitzlichter zuckten, es entstand Unruhe im Saal.
    »Es stimmt, Hauptkommissar Süden hat heute Morgen wieder seinen Dienst angetreten, worüber wir alle sehr froh sind, denn er ist einer unser fähigsten Mitarbeiter«, sagte Funkel.
    »Davon hat Lucia Simon wenig gemerkt«, rief ein junger Mann mit gesenktem Kopf.
    »Wer war das?«, fragte Thon. »Stehen Sie auf und entschuldigen Sie sich! Noch so eine Bemerkung, und wir brechen ab, haben Sie das verstanden?«
    »Sind Sie nervös, Herr Thon?«, fragte jemand.
    »Stimmt das, dass Tabor Süden den ganzen Tag durch die Stadt fährt und nichts anderes tut, als seinen Kollegen zu suchen?«
    »Der Kollege hat sich krankgemeldet«, sagte Funkel, »aber wir wissen nicht, wo er sich aufhält. Tabor Süden ist ein enger Freund von ihm, ich habe ihm erlaubt, nach ihm zu sehen.«
    »Hat er ihn gefunden?«
    »Nein, wir gehen davon aus, dass er aufs Land gefahren ist und seine Ruhe haben will. Es gab da einen Zwischenfall, der ihn möglicherweise mehr mitgenommen hat, als wir zunächst vermutet haben.« Jetzt musste er doch damit herausrücken, obwohl sie vereinbart hatten, nichts darüber an die Öffentlichkeit zu geben.
    »Was für einen Zwischenfall?«
    »Auf den Kollegen ist geschossen worden, bei der Befragung eines Zeugen im Fall Vogel. Wie sich herausstellte, hat der Mann aber nichts mit dem Verschwinden des Jungen zu tun. Der Kollege blieb zum Glück unverletzt.«
    »Wie heißt der Beamte?«
    »Kein Kommentar«, sagte Thon, ehe Funkel antworten konnte.
    »Wieso nicht?«, fragte die rothaarige Frau an der Tür.
    »Hören Sie, Frau …«, sagte Thon und warf Funkel einen Blick zu. »Wenn ich sage, dass wir den Namen nicht rausgeben, dann akzeptieren Sie das bitte!«
    »Wieso? Warum verschleiern Sie alles? Sie sagen uns nicht, wie der Zeuge heißt, der Raphael gesehen und mit zu sich nach Hause genommen hat, Sie sagen uns nicht, wie Ihr Kollege heißt, der angeschossen wurde …«
    »Er wurde nicht angeschossen, er ist unverletzt!«, donnerte Thon.
    »Wir wollen sachlich bleiben, das ist ein sehr ernster Fall«, sagte Funkel.
    »Das kann man wohl sagen. So ernst, dass Sie einen Kollegen freistellen, damit er sich um einen Kollegen kümmert, der verschwunden ist.«
    Thon hatte niemanden freigestellt, und wenn genug Zeit gewesen wäre, hätte er mit Funkel längst ein ernstes Wort geredet. Süden arbeitete in seiner, Thons, Abteilung, und er hatte keine Ahnung, wo der Mann sich herumtrieb, und so etwas hatte es unter

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