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Die Erfindung des Jazz im Donbass

Die Erfindung des Jazz im Donbass

Titel: Die Erfindung des Jazz im Donbass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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– Hab ich gestern vergessen dir zu geben.
    Der Brief war von Katja. Die Adresse war in runder Kinderschrift geschrieben. Ich stopfte den Umschlag in die Hosentasche.
    – Les ich später, – erklärte ich dem Versehrten. Der nickte zustimmend.
    Die Sonne brannte gleichmäßig über uns, und der Wind kühlte die von der Sonne schwarzen Gesichter der Männer. Alle waren ruhig und konzentriert. Pascha erzählte die Geschichte, wie er seiner Tochter zur Hochzeit einen gebrauchten Fiat gekauft habe, der Verkäufer sei ein Moldauer gewesen, irgendwo aus Bessarabien, der habe das Auto bis hierher gefahren, um es zu verkaufen, aber leider die Papiere zu Hause vergessen, was er aber nicht gesagt hatte, bis das Geschäft perfekt war, und jetzt wusste Pascha nicht, was tun – er musste die Papiere holen, hatte aber kein Transportmittel, außerdem war die Hochzeit schon bald, und der Fiat war kaum abgestoßen und von blutroter Farbe. Die anderen beruhigten ihn, er solle sich keine Sorgen machen, Papiere seien sowieso Blödsinn, sie würden ihm alle notwendigen Papiere kaufen, damit er sich den Kopf nicht mit unnötigen Sorgen belaste, und ein Fiat, sagten sie, das ist ein schönes Geschenk, bescheiden und nützlich, sie stünden in dieser Sache vollkommen hinter ihm und würden den Brautleuten auch etwas Nützliches und nicht allzu Abgestoßenes schenken. Einem Außenstehenden hätte es scheinen mögen, dass sie gleich jetzt anfangen wollten zu feiern, nur noch schnell fertig rauchen und dann an den Festtisch zurückkehren, wo Frauen, Schwestern und irre heiße Geliebte auf sie warten. Nur die zwei Mobiltelefone, die Pascha in den Händen hielt, erinnerten daran, dass man bis zur Hochzeit erst noch überleben musste.
    Die Maiskönige verspäteten sich, und heimlich hoffte ich schon, sie würden überhaupt nicht mehr kommen, dass sich alles ohne Messer und Fahrradketten löst, dass wir jetzt jeder noch eine rauchen und dann alle zusammen in die ehemalige Kantine stürmen, wo Ernst die strategischen Alkoholreserven auf den Tisch stellt, um das erfolgreiche Ende aller Reprivatisierungsprozesse in der Region zu feiern. Zum Zeichen unserer Freundschaft und Solidarität, zu Ehren der Vollendung dieses heißen Sommers und des Beginns eines warmen Herbsts. Der Wein wird an unseren Lippen kleben wie Blut, und wir werden uns alle unsere Frauen in Erinnerung rufen, werden nach unseren Eltern fragen und von gemeinsamen Bekannten erzählen. Der kurze Herbsttag geht in einen langen, trägen Abend über, die kalte Dämmerung zieht sich über die Startbahn, und alle sind betrunken, lebendig und gesund.
    *
    Sie bogen um die Ecke und rollten langsam auf uns zu. Ernst hatte das Tor offen gelassen, damit sich alle auf dem Flugfeld, hinter dem Zaun treffen konnten, wo uns niemand sah. Sie nahmen das vielleicht als gutes Zeichen, als ob der Feind, also wir, ihnen die Tore der Stadt geöffnet und drei Tage Zeit gegeben hätte, um Hangar und Garagen zu plündern, das Flugfeld zu besetzen und ein autoritäres Regime zu errichten. Als sie den Hangar passiert hatten, entdeckten sie uns.
    Voran fuhr ein weißrussischer Traktor von gelblicher Farbe mit zwei Schaufeln – eine ragte nach vorne wie urtümliche Stoßzähne, die andere wurde hinterhergeschleift wie ein Schwanz. In der Fahrerkabine saßen zwei – einer im Matrosenhemd, der andere im Blaumann. Hinter dem Traktor her brauste der Jeep mit Nikolaitsch, zum Schluss kam ein Laster. Auf der Ladefläche standen ein paar Soldaten, offenbar von einem Baubataillon, denn sie trugen Spaten. Die Uniformhemden hingen an ihnen wie Mamas Kleider an einer Zehntklässlerin. Argwöhnisch betrachteten sie von oben die Zigeunerbrigade mit ihren Mercedes und Volkswagen.
    Der Traktor rollte bis direkt vor uns, schaufelte Luft und hielt an. Den Motor stellten sie jedoch nicht ab. Matrosenhemd und Blaumann hatten es nicht eilig auszusteigen, wie zwei Spatzen hockten sie in der Kabine und warteten auf die Befehle ihrer Führung, Die Führung hatte weiter entfernt angehalten. Als erster hüpfte Zwerg Nikolaitsch auf die Startbahn. Ausgerüstet, als ginge es an die Front – in tarnfarbener Jacke mit gefüttertem Kragen und tarnfarbener Hose, unter der blaue Turnschuhe hervorsahen. Der dicke Bormann musste lachen, als er Nikolaitsch sah, und die anderen fielen ein. Nikolaitsch spürte, dass man über ihn lachte, rannte nervös um den Jeep herum, öffnete die Tür und ließ die Hauptperson aussteigen. Hauptperson war,

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