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Die Erfindung des Jazz im Donbass

Die Erfindung des Jazz im Donbass

Titel: Die Erfindung des Jazz im Donbass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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Reaktion wartend. Die Reaktion war seltsam – Nikolaitsch wurde totenbleich, verkroch sich in seinen Tarnanzug, in seinen Augen zeigten sich wieder Erschöpfung und Unsicherheit, jetzt gepaart mit Verzweiflung und Gram auf die ganze Welt. Nachdem er das hochwertige Kopierpapier sorgfältig zerkaut hatte, schluckte Pascha den Beschluss herunter und lächelte zufrieden. Nikolaitsch drehte sich zum Grauen um und wedelte verzweifelt und stumm mit den Armen.
    – Die, – sagte er. – Haben Sie das gesehen? Aufgefressen. Die haben ihn einfach aufgefressen.
    Der Graue dachte angestrengt nach. Schura lag wohl richtig, sie hatten wirklich nur geblufft. Nicht mal die Bullen hatten sie mitgebracht, stattdessen irgendwelche Penner mit Spaten, sie hatten wohl geglaubt, es gebe keine Widerworte und alles würde ruhig über die Bühne gehen. Und da stellte sich heraus, dass es jetzt erst richtig losging, und dieser Anfang war gar nicht in ihrem Sinne. Aber Rückzugsmöglichkeit hatten sie auch keine. Die Bausoldaten machten lange Gesichter – wenn sie bis jetzt vielleicht gehofft hatten, die Sache würde sich auf ein bisschen physische Arbeit zum Nutzen der lokalen Oligarchie beschränken, so wurde ihnen jetzt klar, dass es ohne Fressepolieren nicht abgehen würde und dass es mit großer Wahrscheinlichkeit eben ihre militärische Einheit war, der die Fresse poliert werden würde.
    – Beginnen Sie die Demontage! – Der Graue wiederholte seinen Befehl.
    Nikolaitsch winkte den Traktoristen wieder zu: los, hieß das, lasst den Motor an, wir pressen die Scheiße aus denen raus. Aber seltsam – die Traktoristen winkten zurück: Da scheißen wir drauf, press selbst.
    – Koljunja! – schrie Nikolaitsch einem von ihnen zu. – Attacke, Koljunja, na los!
    Aber beide Traktoristen schüttelten verzweifelt den Kopf: ohne uns, hieß das, heute findet die Party ohne uns statt, Chef.
    – Hey, – rief Schura plötzlich Nikolaitsch an.
    Der schaute sich erschrocken um.
    – Entspann dich, – sagte Schura ruhig, als wolle er Frieden stiften. – Du siehst doch, sie werden nichts tun.
    – Was heißt – werden nichts tun? – fragte Nikolaitsch beleidigt.
    – Das heißt, was es heißt, – erklärte der Versehrte, – sie werden nichts tun. Und jetzt – haut endlich ab. Wir kommen hier allein klar. Ohne Rechtsanwälte.
    Nikolaitsch tat, als hätte er ihn nicht gehört. Rannte zum sonnengelben Traktor und hüpfte um ihn herum in dem Versuch, die Traktoristen herauszulocken. – Was heißt hier nichts tun!
    – Scheißkerl, – zischte der Graue in Richtung Nikolaitsch, – los, unternimm was. Los, du Scheißkerl, – krächzte er.
    Da erst hielt Nikolaitsch inne und sah die Bausoldaten an, seine letzte Reserve. Die Bausoldaten erstarrten und versuchten alle gleichzeitig, sich hinter dem Rücken des Grauen zu verstecken, der aber machte einen Schritt zur Seite, so dass die Soldaten plötzlich direkt vor Nikolaitsch standen.
    – Habt ihr gehört? – fragte Nikolaitsch seine Armee. – Was steht ihr rum? Vorwärts!
    Die Bausoldaten schwankten und setzten sich in Bewegung. Nach ein paar Schritten auf uns zu stoppten sie und hielten sich unentschlossen an ihren Spaten fest. Pascha wechselte einen abfälligen Blick mit Bormann. Da stieß Arkadij sich träge von seinem Volkswagen ab und trat vor. Prochor folgte ihm. Ohne Hast holte Prochor ein Päckchen Camel raus, nahm sich eine Fluppe und hielt es dann Prochor hin, der sich auch eine nahm.
    – Um ehrlich zu sein, – sagte Arkadij, – mit dem Stempel war alles in Ordnung. Nur mit der Unterschrift gab’s Probleme.
    – Quatsch, – widersprach Prochor und bat um Feuer.
    Arkadij gab Prochor Feuer und steckte sich dann selbst eine Zigarette an. Ich wusste schon, worauf das hinauslief.
    – Mit der Unterschrift war alles in Ordnung, – machte Prochor weiter und nahm einen genüsslichen Zug. – Die Stempel waren beschissen.
    – Die Stempel? – fragte Arkadij mit kaum verhohlenem Sarkasmus.
    – Ja, – bestätigte Prochor herausfordernd. – Die Stempel.
    – Die Stempel waren okay, – sagte Arkadij hitzig. – Du hast wohl Tomaten auf den Augen, Heini.
    – Selber Heini, – antwortete Prochor, ebenso hitzig.
     
    Arkadij drückte sorgfältig seine Zigarette aus, und plötzlich schlug er zu. Prochor rollte über den Asphalt, die Camel flog ihm aus dem Mund und in hohem Bogen den Bausoldaten vor die Füße. Doch er erhob sich schnell und stürzte sich auf den Angreifer. Arkadij nahm

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