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Die Erfindung des Jazz im Donbass

Die Erfindung des Jazz im Donbass

Titel: Die Erfindung des Jazz im Donbass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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Ich schwöre, – antwortete ich und versuchte damit, diese Unterhaltung irgendwie zu beenden und den Verkehr wieder frei zu geben.
    – Prima! – Nikolaitsch lehnte sich zufrieden in den Sitz zurück. – Kolja! – schrie er.
     
    Kolja klemmte sich ohne Eile wieder hinters Lenkrad, ließ den Motor an, und wir setzten uns langsam in Bewegung. Hinter uns setzte sich die ganze Schlange ebenfalls in Bewegung. Nach der Brücke nahmen wir mit Leichtigkeit die Steigung und bogen in Richtung Tankstelle ab. Dort angekommen, bremste Kolja scharf. Ich öffnete die Tür. Beim Schuppen, auf den Sitzen, sonnten sich Kotscha und der Versehrte. Als sie mich sahen, tauschten sie verblüffte Blicke.
    – Na also, – sagte Nikolaitsch zum Abschied. – Schön, dass wir eine gemeinsame Sprache gefunden haben.
    – Hören Sie, – fragte ich ihn, als sei mir das plötzlich in den Sinn gekommen. – Und was machen Sie, wenn ich nein sage?
    – Haben Sie denn die Wahl? – wunderte sich Nikolaitsch. Und fügte, mit einem plötzlichen breiten Lächeln, hinzu: – Also gut, Hermann, ich schaue in einer Woche wieder vorbei. Alles Gute.
     
    Kotscha saß in seinem orangefarbenen, an der Brust aufgeknöpften Overall da und wärmte die gebrechlichen Glieder in der Sonne. Der Versehrte trug ein geckenhaftes weißes Hemd und sorgfältig gebügelte schwarze Hosen. An den Füßen spitze Lackschuhe. Er glich einem Bauern, der zur Hochzeit seiner einzigen Tochter geht. Beide blickten mich mit unverhohlener Abneigung an, der Versehrte durchbohrte mich mit seinem Blick und strich sich mit dem Finger über den dünnen Schnurrbart, Kotscha blitzte giftig mit den Brillengläsern.
    – Was bedeutet das, Hermann? – fragte der Versehrte für alle Fälle.
    – Haben sie dich geschlagen? – fügte Kotscha hinzu.
    – Macht ihr Witze? Niemand hat mich geschlagen. Wir haben uns einfach nur unterhalten. Sie haben mich mitgenommen.
    – Neue Freunde? – fragte der Versehrte düster.
    – Mhm, – sagte ich, – Freunde. Sie wollen die Tankstelle kaufen.
    – Das wissen wir, Hermann, – sagte darauf der Versehrte.
    – Das wisst ihr? – fragte ich ihn. – Na toll. Und warum habt ihr es mir nicht erzählt?
    – Du hast nicht danach gefragt, – erklärte der Versehrte beleidigt.
    – Wonach hätte ich denn fragen sollen?
    – Nach gar nichts, – antwortete der Versehrte ärgerlich.
    – Das hab ich mir gedacht.
    – Also was hast du dir gedacht? – fragte der Versehrte nach einer Pause.
    – Weiß nicht. Ich denke, 50 Riesen für diesen Haufen Schrott, das ist ein guter Preis.
    – Ein guter Preis, sagst du? – Der Versehrte erhob sich und zeigte seinen Torschützen-Bauch. – Ein guter Preis?
    – Ich denke schon.
    – Aha. – Der Versehrte überlegte und betrachtete dabei die Spitzen seiner Schuhe. – Gut. Schau, Hermann, – sagte er schließlich. – Was man sich selbst einbrockt, muss man auch auslöffeln. Es ist also am einfachsten, den ganzen Scheiß zu verkaufen, stimmt’s?
    – Vielleicht hast du Recht, – stimmte ich ihm zu.
    – Vielleicht hab ich Recht vielleicht hab ich Recht, – äffte mich der Versehrte nach, drehte sich um und ging in die Werkstatt.
     
    Ich ließ mich neben Kotscha in den Sessel fallen. Der verbarg die Augen hinter den Gläsern und schaute irgendwo nach oben, in die schweren Wolken, die sich plötzlich zusammengezogen hatten, jetzt über den Hügel krochen und fast auf den einsamen Mast über dem Schuppen aufliefen, wie überladene Frachtschiffe auf eine Untiefe.
    – Hier. – Ich reichte Kotscha die Vitamine. Der musterte das Fläschchen, hielt es gegen das Licht.
    – Was ist das? – fragte er argwöhnisch.
    – Vitamine.
    – Gegen Schlaflosigkeit?
    – Gegen Schlaflosigkeit.
    – Woher?
    – Holland, – sagte ich. – Siehst du diese Hieroglyphen? Das ist Holländisch. Sie tun Pilze rein. Weiße. Du wirst schlafen wie ein Toter.
    – Vielen Dank, Harry, – sagte Kotscha. – Du darfst Schura nicht so ernst nehmen. Verkauf ruhig deine Tankstelle, scheiß drauf. Ist doch kein Weltuntergang.
    – Glaubst du?
    – Wenn ich es dir sage.
     
    Aus den offenen Toren zur Werkstatt flog ein Lederball, schlug hart auf den warmen Asphalt und rollte über den Hof. Gleichzeitig trat der Versehrte aus der schwarzen Werkstattöffnung. Er sah nicht zu uns herüber. Ging zum Ball, leichtfüßiger, als man ihm das bei seinem Gewicht zugetraut hätte, hob ihn mit der lackierten Spitze an, schleuderte ihn in die Luft, fing ihn

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