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Die Erfindung des Jazz im Donbass

Die Erfindung des Jazz im Donbass

Titel: Die Erfindung des Jazz im Donbass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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auf den Sieg zu trinken.
    – Kann ich mir bildhaft vorstellen.
    – Ol, – sagte ich, – und wenn ich plötzlich hierbliebe? Würdest du für mich arbeiten? Wie viel hat dir mein Bruder bezahlt?
    – Du, – antwortete Olga, – müsstest jedenfalls mehr bezahlen. – Sie nahm ihr Telefon. – Gleich zwölf. Ich muss gehen.
    Den Portwein bezahlte sie. Ignorierte all meine Versuche, selbst die Rechnung zu begleichen, sie verdiene gut und dass ihr so eine Rückständigkeit gestohlen bleiben könne.
     
    Wir traten hinaus. Ich wusste nicht, wie es weitergehen sollte, hatte aber auch keine Lust, ihr noch irgendeine Frage zu stellen. Plötzlich klingelte ihr Telefon.
    – Ja, – antwortete sie. – Aha, ja, – ihre Stimme klang sofort distanziert. – Ja, der ist bei mir. Soll ich weitergeben? Wie Sie meinen. Am Brunnen. – Na, da hast du’s, – sagte sie und steckte das Handy weg. – Sprich selbst mit ihnen.
    – Mit wem?
    – Mit der Maistruppe.
    – Wie haben sie mich gefunden?
    – Hermann, hier wohnen ganz wenige Leute. Jemanden zu finden ist alles andere als schwer. Sie wollen dich am Brunnen treffen. Na dann, mach’s gut.
    Sie setzte sich auf den Roller, puffte dichten Rauch aus und verschwand in den Eingeweiden des Kultur- und Freizeitparks.
    *
    Aber wie soll ich sie denn erkennen, fragte ich mich. Ich saß schon zehn Minuten auf der Backsteinmauer des ausgetrockneten Beckens, auf dessen Grund ebenfalls Gras wuchs. Es wuchs hier offenbar überall. Andererseits gab es ja außer mir, den beiden Zehntklässlerinnen mit Dackeln und dem Zigeuner niemanden im Park. Plötzlich bog, die Tauben aufscheuchend und ins blaue Himmelszelt hupend, der schwarze Jeep von gestern um die Ecke. Ich erkenne sie, dachte ich, das jedenfalls ist kein Problem.
    Das Auto drehte eine Ehrenrunde um den Brunnen und blieb direkt vor mir stehen. Die hintere Tür öffnete sich, und ein glatzköpfiges Männlein in leichtem Polohemd und weißen Hosen lehnte sich zu mir heraus. Gestern war er nicht dabei. Lächelte mich mit seiner ganzen Metallkeramik an. Stieg jedoch nicht aus.
    – Hermann Serhijowytsch?
    – Guten Tag! – antwortete ich und blieb auf meinem Mäuerchen ebenfalls sitzen.
    – Warten Sie schon lange? – Der Glatzköpfige, der halb auf den Ledersitzen lag, reckte sich in meine Richtung und zeigte mir so seine Sympathie.
    – Gar nicht! – antwortete ich.
    – Ich bitte um Entschuldigung. – Der Kerl lag vielleicht unbequem, aber aufstehen wollte er keinesfalls. Offenbar handelte es sich um eine Art Kräftemessen, wer als Erster aufstand, verlor den Statuskampf. – Es war schwierig, mit dem Auto hierherzukommen.
    – Macht überhaupt nichts, – antwortete ich und setzte mich bequemer hin.
    – Und ich war mir nicht sicher, ob Sie das sind oder nicht! – Der Glatzköpfige lachte, verschluckte sich, konnte sich auf dem schlüpfrigen Leder nicht mehr halten und rutschte plötzlich ab, unter den Sitz.
     
    Ich sprang schnell auf. Er aber krabbelte gelenkig wieder hoch, nahm eine bequeme Position ein und streckte mir geschäftsmäßig die Hand hin. Es blieb mir nichts anderes übrig, als einzusteigen und ihm die Hand zu schütteln.
    – Nikolai Nikolaitsch, – stellte er sich vor und holte irgendwo unter sich eine Visitenkarte hervor, – für Sie einfach nur Nikolaitsch.
    Ich gab ihm meine. Auf seiner stand »Referent eines Parlamentsabgeordneten«.
    – Wohin müssen Sie? – fragte Nikolaitsch.
    – Weiß nicht, – antwortete ich, – vielleicht nach Hause.
    – Wir nehmen Sie mit, es liegt auf dem Weg. Kolja, fahr los.
     
    Der Fahrer hieß also auch Kolja. Ob das bei Ihnen Einstellungsvoraussetzung war? Wenn du zum Beispiel nicht Kolja bist, dann sinken deine Chancen, bei ihnen Arbeit zu finden, rapide. Neben Kolja, auf dem Beifahrersitz, lag eine alte Makarow, mit Kerben am Griff. Ich dachte noch, dass ein so leichtsinniger Umgang mit Waffen unweigerlich zu Todesopfern führen musste.
    – Die Tür, – sagte Kolja genervt.
    – Was? – Ich verstand nicht.
    – Mach die Tür zu.
    Ich schloss die Tür, und der Jeep brauste in die Büsche. Kolja schlug sich eine Schneise, fuhr wie nach Kompass, ohne besonders auf den Weg zu achten. Rumpelte am Spielplatz vorbei, brach sich bei der Diskothek Bahn, wo ich zum ersten Mal Sex gehabt hatte, erklomm die Blumenrabatten und gewann die Straße. Aber auch jetzt suchte er nicht den leichtesten Weg, bog in eine Sackgasse ab, wo statt Straße Ziegelschutt lag, durchpflügte die

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