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Die Erfindung des Jazz im Donbass

Die Erfindung des Jazz im Donbass

Titel: Die Erfindung des Jazz im Donbass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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einem halben Jahr nicht. Weißt du, wo er ist?
    – Nein. Und du?
    – Auch nicht. Hattet ihr miteinander zu tun?
    – Ja. Ich bin seine Buchhalterin, – sagte Olga, nahm eine Zigarette und steckte sie an. – Also hatten wir miteinander zu tun.
    – Sei nicht beleidigt.
    – Natürlich nicht.
    Der Zigeuner brachte den Portwein. Der Portwein kam in Eisenbahn-Teegläsern. Nur dass die Metallhalterung fehlte.
    – Und was willst du jetzt machen? – fragte Olga nach einem vorsichtigen Schluck.
    – Weiß nicht, – antwortete ich. – Bin nur für ein paar Tage hier.
    – Klar. Was machst du so?
    – Ach, alles und nichts. Hier, – ich holte eine Visitenkarte aus der Hosentasche und reichte sie ihr.
    – Experte?
    – Genau, – sagte ich, und trank meinen Portwein aus. – Ol, du weißt, dass die Firma auf meinen Namen läuft?
    – Ja.
    – Und was soll ich machen?
    – Weiß nicht.
    – Aber einfach so lassen, wie es ist, kann ich es doch nicht?
    – Nein, wohl nicht.
    – Werde ich Probleme bekommen?
    – Kann schon sein.
    – Und was soll ich da machen?
    – Hast du nicht versucht, deinen Bruder zu erreichen? – fragte Olga nach einer Pause.
    – Hab ich. Aber er hebt nicht ab. Weiß nicht, wo er ist. Kotscha sagt, in Amsterdam.
    – Immer dieser Kotscha, – sagte Olga und winkte dem Zigeuner, damit er Nachschub brächte.
     
    Unwillig löste sich der Zigeuner vom Tresen, stellte eine angebrochene Portweinflasche vor uns auf den Tisch und ging hinaus, offensichtlich, damit wir ihn nicht weiter belästigten.
    – Macht die Tankstelle eigentlich Gewinn?
    – Wie soll ich sagen? – antwortete Olga, als ich eingeschenkt und sie getrunken hatte. – Das Geld, das dein Bruder verdient hat, war genug, um weiterzumachen. Aber nicht genug, um noch eine Tankstelle zu eröffnen.
    – Aha. Wollte er verkaufen?
    – Nein.
    – Aber es gab Angebote?
    – Ja, – sagte Olga.
    – Von wem?
    – Hier gibt’s so eine Truppe.
    – Und wer?
    – Pastuschok, Marlen Wladlenowitsch. Er macht in Mais.
    – Ah, ich glaube, ich weiß, von wem du sprichst.
    – Er ist außerdem Abgeordneter der KP .
    – Kommunist?
    – Genau. Besitzt ein Tankstellennetz im Donbass. Jetzt kauft er hier alles auf. Weiß gar nicht, wo er wohnt. Er hat Juri fünfzigtausend geboten, wenn ich mich nicht irre.
    – Fünfzigtausend? Wofür?
    – Für den Standort, – erklärte Olga.
    – Und warum hat er nicht eingeschlagen?
    – Und du hättest?
    – Na, weiß nicht, – gab ich zu.
    – Aber ich weiß. Du hättest.
    – Warum denkst du das?
    – Weil du ein Schwächling bist, Hermann. Und hör auf, meine Titten anzustarren.
    Wirklich hatte ich schon eine ganze Weile ihr Kleid betrachtet, der Ausschnitt war ziemlich groß, Olga trug keinen BH . Unter den Augen hatte sie kleine Fältchen, das machte ihr Gesicht sympathisch. Sie war bestimmt noch keine vierzig.
    – Das ist einfach nicht mein Ding, Ol, verstehst du? – Ich versuchte, einen friedfertigen Ton anzuschlagen. – Ich hab mich nie in seine Angelegenheiten eingemischt.
    – Jetzt sind es auch deine Angelegenheiten.
    – Und du, würdest du verkaufen, wenn es deine Tankstelle wäre?
    – An Pastuschok? – Olga überlegte. – Eher würde ich sie anzünden. Zusammen mit dem ganzen Schrott.
    – Warum?
    – Hermann, – sagte sie und trank ihr Glas aus, – es gibt zwei Kategorien von Menschen, die ich nicht ausstehen kann. Die erste, das sind die Schwächlinge.
    – Und die zweite?
    – Die zweite, das sind die Eisenbahner. Aber das hat einen persönlichen Hintergrund, – erklärte sie, – ist mir bloß so eingefallen.
    – Und was ist jetzt mit Pastuschok?
    – Gar nichts. Nur dass ich nicht vor ihm buckeln wollen würde. Aber du kannst machen, was du willst. Es ist schließlich deine Firma.
    – Und ich habe offenbar keine Wahl?
    – Offenbar weißt du einfach nicht, ob du eine hast oder nicht.
    Ich fand keine Antwort. Schenkte den Rest ein. Wir stießen schweigend an.
    – Weißt du, – sagte Olga, als das Schweigen zu lange dauerte, – dass es hier nebenan eine Diskothek gibt?
    – Weiß ich, – antwortete ich. – Dort hatte ich zum ersten Mal Sex.
    – Oh? – Sie war baff.
    – Übrigens hatte ich auch hier in der Bar einmal Sex. An Silvester.
    – Vielleicht war es ein Fehler, dich herzubringen, – sagte Olga nachdenklich.
    – Aber nein, alles okay. Ich liebe den Park. Nach den Fußballspielen kamen wir immer hierher. Wir sind über die Stadionmauer geklettert und hierhergekommen. Um

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