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Die Erfindung des Jazz im Donbass

Die Erfindung des Jazz im Donbass

Titel: Die Erfindung des Jazz im Donbass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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umkurvten grüne Felder und versuchten am Horizont Gasfördertürme zu entdecken. Angeblich wusste der Fahrer den Weg, und schließlich kannten wir alle die Gegend gut, daher achtete lange niemand darauf, wo wir uns gerade befanden und wohin wir eigentlich fuhren. Anfangs trieb der Fahrer sein erhitztes Fahrzeug selbstbewusst auf den nächsten Hügel, fuhr ins dichte frische Gras, vermied Dornenbüsche und Wolfsgruben, langsam aber stieg die Hitze, Staub drang durch die Fenster und setzte sich auf die geschorenen Köpfe der Passagiere, der Fahrer wurde wütend und cholerisch, ratterte über die smaragdgrünen Wege, verirrte und verlor sich inmitten dieser ganzen Unendlichkeit, die sich vor uns ausbreitete und nichts Gutes verhieß. Die Sonne blendete die Augen, Vögel setzten sich auf das Dach des Ikarus, als er wieder einmal an einer Abzweigung hielt, aber die Türme waren nicht zu sehen. Nach einiger Zeit stellte sich der Versehrte neben den Fahrer und dirigierte ihn, wobei er genervt durch die Windschutzscheibe spähte. Aber auch das half nicht – als bewegten wir uns durch ein Territorium ohne Konturen oder Perspektive, die reine Dauer, bar jeder Koordinaten, nur Gras und Mais, Staub und Gas, das Gas, nach dem unsere heutigen Gegner so verbissen jagten. Im Bus, zwischen meinen schläfrigen Freunden, umgeben von Totenstille, konnte ich dieses Gas irgendwo auf der Höhe des Grundwassers spüren, im Untergrund, ich stellte mir vor, wie es dort alle Räume und Spalten ausfüllt, wie es in unterirdischen Bahnen fließt, wie es um Mitternacht an die Oberfläche dringt und aufflammt und das Firmament in Brand setzt wie Schnaps die Kehle. Das Gas lässt es nicht zu, dass die Leere wächst, es hilft, das brüchige Gleichgewicht zu wahren, das rings um uns existiert, so dachte ich in jener Hitze, wie Quellwasser sucht es sich einen Weg an die Oberfläche, dringt durch den Boden, durch alte Brunnen und Fuchslöcher.
    *
    Gegen Abend hielt der Fahrer in einem flachen Tal und weigerte sich weiterzufahren. Der Versehrte bestand auch nicht darauf, eine gute Gelegenheit, sich umzusehen. Müde und verloren stieg die Mannschaft aus der aufgeheizten Mikrowelle des Ikarus. Die Brüder Ballerlajeschnykow holten Schnaps in einer Zweiliter-Pepsiflasche hervor. Ich sah zu dem Versehrten hinüber und dachte, sie werden doch nicht etwa zu trinken anfangen, was ist denn mit dem Spiel? Aber der Versehrte warf mir einen strengen Blick zu und nahm den ersten Schluck aus der Pulle. Die Kumpane legten sich ins Gras, nicht einmal reden wollten sie. Der Fahrer, sich seiner Schuld sehr wohl bewusst, stieg nicht aus seinem Fahrzeug. Es war still und heiß, obwohl die Hitze langsam nachließ. Die Sonne rollte davon und machte unsere Schatten lang und traurig. Über dem Gras flogen Schwalben. Die Ballerlajeschnykows brachten eine zweite Flasche mit Schnaps. Ich ging zum Versehrten.
    – Schur, – sagte ich, – lass aufsitzen.
    Der Versehrte verstand mich erst nicht, schließlich aber kapierte er. Er trat zum Ikarus und stützte sich mit den Händen ab. Ich sprang auf seinen Rücken, hielt mich am Spiegel fest und stellte mich auf seine Schultern.
    – Vorsicht, fuck, – bat der Versehrte, jedoch ganz friedlich.
    Da er recht klein war, musste ich springen. Dann legte ich ein Bein über den Spiegel, zog mich hoch und kroch aufs Dach. So muss sich ein Fisch fühlen, wenn er in die heiße Pfanne geworfen wird – die Euphorie wird schnell von einem gewissen Unbehagen abgelöst. Das Dach war sonnengebleicht und mit einer dicken Staubschicht bedeckt. Ich richtete mich auf.
    – Hej, Harry, – schrie Rawsan von unten. – Warte, ich komme auch.
    – Und ich auch, – fiel Schamil ein.
    – Und ich, ich auch, – ließ sich Baruch anstecken.
    Schnell erhoben sie sich aus dem warmen Gras und krochen wendig wie Eidechsen aufs Dach. Kurz darauf standen wir schon zu viert da oben und versuchten, irgendeinen Weg zu erkennen.
     
    Von Westen fielen schräg lange heiße Lichtstreifen herab, die das Gras und die Stengel der Maispflanzen entflammten. Unsere Schatten zerflossen in der Abendsonne wie Fettflecken auf Butterbrotpapier. Der Himmel war erleuchtet wie Wasser im Aquarium. Am Horizont hing Dunst, als ob aus unsichtbaren Reservoiren Wasser verdampft und aufgestiegen sei. Es war schwer, dort etwas zu erkennen, die Sonnenstrahlen durchschnitten die flimmernde Luft und verschleierten vollends den Blick. Aber unsere Augen gewöhnten sich allmählich daran,

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