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Die Erfindung des Jazz im Donbass

Die Erfindung des Jazz im Donbass

Titel: Die Erfindung des Jazz im Donbass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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Wir haben keine Angst. Aber ihr seid zu spät gekommen!
    – Dann schreib eine Beschwerde, – antwortete ihm der Versehrte. – An den Verband.
    Dabei blieb es.
    Die Gasler löschten die Feuer, räumten die Kessel mit dem Hammelfleisch weg und bauten sich zum Kampf auf. Unser Fahrer stellte sich als Schiedsrichter zur Verfügung. Mit dem Buchhalter waren es zwölf Gasler. Wie die zwölf Apostel. Ihre Ersatzbank, könnte man sagen, war fatal kurz, denn dort saß nur der Buchhalter, den sie wegen seiner Kurzsichtigkeit nicht auf den Platz ließen. Den Buchhalter als Ersatz zurücklassend, verstreuten sich die Gasler über das Feld. Einer glich dem andern aufs Haar, und es war schwer, sie zu auseinanderzuhalten. Der Vorarbeiter zog ein paar lederne Damenhandschuhe an und stellte sich ins Tor. Der Versehrte rief uns zusammen und klemmte sich sein Case zwischen die Füße.
    – Hört zu, – sagte er, – alle geben ihr Bestes. Klar?
    – Klar, Schur, – antwortete Wasja Negativnik für alle.
    – Klar, – versicherten die Brüder Ballerlajeschnykow.
    – Klar, – fügte ich hinzu.
    In unser Tor stellte der Versehrte Semen Schwarzer Schwanz, lang und hager, wie er war. Semen rannte zum Tor, sprang und hängte sich an die Querlatte. Die Ballerlajeschnykows waren als Verteidiger eingeteilt. Auch die übrigen Spieler nahmen ihre Positionen ein. Ich sollte mit dem Versehrten vorne spielen. Karpo Scharpo und Wasja Negativnik, die keinen Platz in der Stammmannschaft ergattert hatten, schlenderten enttäuscht hinter das Tor, wo sie vom Rest der Ersatzspieler empfangen wurden. Karpo winkte drohend mit der Kreissäge, und Wasja ließ sich ins warme Gras fallen, legte sich das Case des Versehrten unter den Kopf und schlief friedlich ein. Die Kapitäne trafen sich in der Mitte, der Fahrer umkreiste sie und hielt einen schweren, geschnürten Lederball von früher in den Händen.
    – Hör zu, Schura, – begann der Vorarbeiter geschäftsmäßig. – Keine Prügeleien auf dem Platz. Alle offenen Rechnungen werden nach dem Spiel beglichen.
    – Wie du meinst. – Der Versehrte widersprach nicht.
    Die Sonne verlosch, so oder so war es Zeit anzufangen. Wir fingen an.
    *
    Es war von Beginn an kein schönes Spiel. Die Gasler nach ihrem Hammelmahl rannten schwerfällig und kamen nicht nach vorn. Bei uns waren die Ballerlajeschnykows extrem nervös, trafen den Ball nicht, störten sich gegenseitig, stritten mit dem Schiedsrichter. Schon in der fünften Minute, als Rawsan es wieder verbockt hatte, kriegte er von Schamil eine Kopfnuss. Der Schiedsrichter stoppte das Spiel, und ihm fiel nichts Besseres ein, als einen Strafstoß gegen uns zu verhängen. Er wollte Schamil sogar für unsportliches Verhalten vom Platz stellen, aber sein Opfer trat für ihn ein, es handle sich um interne Familienangelegenheiten, er rate dem Unparteiischen, sich nicht einzumischen. Einer der Gasler schoss, eher aufs Geratewohl, und der Ball glitt durch das dichte Gras und flog an Semen vorbei in unser Tor. Die Gasler triumphierten, von ihren Schreien fingen die Hunde wieder an zu bellen, die Schafe blökten. Aber die Freude war nicht von langer Dauer – schon bei der nächsten Attacke lief der Versehrte selbst über den halben Platz und schob den Ball ins Tor des Vorarbeiters; der sprang, aber zu spät und auch nicht sehr geschickt, so dass er sich im Netz verhedderte wie ein großer Wels und wir ihn mit beiden Mannschaften herausziehen mussten. Alles ging wieder von vorne los. Starrköpfig blieben die Gasler hinten stehen, unsere Spieler gaben dem Stellungskampf den Vorzug – kaum war einer der Gegner am Ball, schickten sie ihn zu Boden und rannten zum Schiedsrichter, um sich zu streiten. Unser Schiedsrichter erwies sich als blind, den Ball sah er in der Dämmerung überhaupt nicht, also glaubte er einfach, was man ihm erzählte. Bald traf der Versehrte noch einmal. Es geschah ziemlich überraschend: Einer der Gasler hatte ihn in der Dunkelheit für einen eigenen Spieler gehalten, gab ab, und für den Versehrten war es Ehrensache, das Ding aus zwanzig Metern Entfernung im Kasten zu versenken. Wir jubelten. Da aber wachten die Gasler endlich auf und rückten vor, den Vorarbeiter einsam zurücklassend, um dessen Tor herum die ungefütterten Schafe traurig blökten. Das dritte Tor schoss der Versehrte im Verlauf eines schnellen Konters, er drehte sich einfach in Richtung unseres Tores, entwand den Gaslern den Ball, lief damit über das ganze Feld, trickste den

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