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Die Erfindung des Jazz im Donbass

Die Erfindung des Jazz im Donbass

Titel: Die Erfindung des Jazz im Donbass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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Vorarbeiter im vollen Lauf aus und rannte, ohne anzuhalten, mitten in die Schafe hinein. Aber direkt danach foulten die Ballerlajeschnykows in unserem Strafraum gleich drei Gasler – Schamil einen und Rawsan zwei –, und der Schiedsrichter entschied auf Elfmeter. Die Gasler trafen. Der Versehrte wütete, wollte die Ballerlajeschnykows aber nicht auswechseln. Wir alle schienen ihn nur zu stören. Ende der ersten Halbzeit hatte er den Vorarbeiter zweimal ausgespielt, und Semen hatte genauso oft den Ball der Gasler durchgelassen. Fußballkommentatoren sagen in solchen Situationen: Dem Publikum gefällt das, was auf dem Platz passiert. Genauso war es hier – dem Publikum, das einzig und allein aus dem Buchhalter bestand, gefiel es. In der Pause fuhren die Gastgeber ihre Schlepper näher an das Feld heran, ließen die Motoren laufen und stellten die Scheinwerfer an. Das Feld wurde von mächtigen Theaterscheinwerfern erleuchtet, in der Dunkelheit glommen die Augen der Schäferhunde und die Brillengläser des Buchhalters. Der Versehrte sammelte uns um sich, ging in die Hocke und legte das Case vor sich ins Gras. Er holte eine Flasche Schnaps heraus, ließ sie kreisen. Alle blickten hochachtungsvoll auf ihren Kapitän.
    – Geben wir unser Bestes, Männer, – wiederholte der Versehrte, – unser Bestes.
     
    Die zweite Halbzeit brachte wenig Veränderung. Sirjoscha der Vergewaltiger, der für Python eingewechselt worden war, versuchte, die Ballerlajeschnykows zu beruhigen, schrie sie an, trieb sie nach vorn, forderte, sie sollten besser aufpassen, spielte auf ihren Positionen und lief ihnen zwischen den Beinen herum. Es endete damit, dass er den Ball beim Versuch, eine Situation zu klären, im eigenen Tor versenkte. Wonach er bat, vom Platz gehen zu dürfen. Für ihn kam Karpo Scharpo, der der Mannschaft jedoch auch keinen großen Nutzen brachte. Das Spiel näherte sich seinem logischen Ende, die Gasler zogen sich in ihre Hälfte zurück, mit dem Unentschieden waren sie offensichtlich zufrieden, und unserer Mannschaft fehlten die Kräfte, das Spiel zu unseren Gunsten herumzureißen. Der Versehrte rannte immer wieder gegen die Verteidigung des Gegners an, aber einer allein kann in einem Minenfeld nichts ausrichten, sosehr er auch kämpft, zum sechsten Mal wollte es ihm einfach nicht gelingen, die Verteidigung von elf aufgebrachten Gaslern zu durchbrechen. Das Spiel war eigentlich längst zu Ende, der Schiedsrichter aber kniff blind die Augen zusammen und konnte die Uhrzeit nicht erkennen, und so spielten wir gute fünf Minuten länger. Alle blickten schon zum Bus, der dunkel etwas abseits stand, und überlegten, ob es uns wohl gelingen würde, heil und unversehrt von hier zu verschwinden. Sogar der Versehrte schien sich mit dem Unentschieden abgefunden zu haben. Zum letzten Mal schoss Semen den Ball in die gegnerische Hälfte, wo ihn Andrjucha Michael Jackson annahm, zwei Gasler hinter sich ließ und vorwärts stürmte. Fast hätte er dem Vorarbeiter direkt gegenübergestanden, doch einer der Gasler lenkte zum Eckball ab. Beide Mannschaften sammelten sich um das Tor des Vorarbeiters. Sogar Semen zog seine Torhüterhandschuhe aus und kam angerannt. Der Versehrte wollte ausführen. Er schoss den Ball überraschenderweise mit links, und der flog auf schier unglaublicher Bahn in den Strafraum der Gasler. Traf einen von ihnen, flog zum Nächsten, der ihn zurück zum Vorarbeiter schoss, der
Vorarbeiter zog verzweifelt ab, der Ball zischte wie eine Rakete hoch, traf meinen Kopf und flog ins Tor. Ich konnte nicht einmal sehen, wie das vor sich gegangen war, denn ich stand mit dem Rücken zum Tor. Das war der Sieg. Erschöpft ließen sich die Gasler ins Gras fallen, der Vorarbeiter wischte sich Schweiß und Tränen ab, meine Mannschaft hob mich auf die Schultern und rannte über das ganze Feld zur Ersatzbank. Der Schiedsrichter, aus Furcht vor der Wut der Gasler, vorneweg. Hinten trabte zufrieden lachend der Versehrte. Die Schäferhunde liefen uns nach und heulten traurig in den dunklen Himmel, den nicht einmal die Scheinwerfer der Schlepper erleuchten konnten.
     
    Freude füllte unsere Herzen, Freude und Genugtuung, denn alles war so gekommen, wie es sein sollte, wer hätte an unserem endgültigen Sieg gezweifelt, diese Reise musste mit einem Triumph enden, deshalb waren wir auch nicht überrascht. Ich schüttelte meinen Freunden die Hand, glücklich über diesen Ausflug, der so gut geendet hatte, ich wunderte mich, dass so

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