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Die Erfindung des Jazz im Donbass

Die Erfindung des Jazz im Donbass

Titel: Die Erfindung des Jazz im Donbass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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hinter den Sonnenreflexen wurde langsam der mattblaue Hintergrund sichtbar, den die Abenddämmerung ergriff. In der Ferne zeichnete sich etwas ab, eine große Menge Licht, materialisiert und kompakt, dieses Licht bündelte sich und wuchs, von unten gestützt durch seltsame Befestigungen, die die Luft vertikal durchschnitten.
    – Was ist das? – fragte Schamil und zeigte auf die kaum sichtbaren Stützen.
    – Fördertürme, – sagte ich.
    – Genau, Fördertürme, – stimmte Baruch zu und lachte.
    *
    Als wir endlich ankamen, war es tiefer, stiller Abend, die Sonne war hinter den Maisplantagen verschwunden, und langsam stieg die warme Luft nach oben. Die Gasler hatten nicht auf uns gewartet, unser Nichterscheinen als Niederlage gewertet und mitten auf dem Fußballfeld Lagerfeuer entzündet; jetzt saßen sie um die Feuer und kochten in großen Kesseln irgendeinen Fraß. Hinter ihnen ragten die Türme auf, um das Feld herum standen ihre schmutzigen Schleppfahrzeuge und Waggons. Überall liefen Schäferhunde und Schafe umher, sie kamen ans Feuer und fraßen den Gaslern aus der Hand. Das konnten wir noch erkennen, denn es war noch nicht ganz dunkel, und das Feuer brannte fast unsichtbar in den westlichen Strahlen der Sonne. Die Gasler saßen auf dem zertrampelten Fußballrasen und bereiteten ihr Hammelfleisch zu. Sie glichen Mongolo-Tataren, die sich nun, nach dem gelungenen Überfall auf die Gastürme der Kiewer Rus, ausruhten. Als sie den Bus sahen, der heranrollte und zwischen den Schleppfahrzeugen direkt vor ihnen zum Stehen kam, strafften sich ihre Körper, sie hoben ihre mongolo-tatarischen Hintern von der Erde und warteten schweigend, was kommen würde. Fast alle waren sie von kleinem Wuchs, fast alle kurz geschoren, und die meisten in Trainingshosen und mit nacktem Oberkörper. Viele hatten Goldzähne, mancher trug ein Kreuz um den Hals, tätowiert war keiner. Sie schauten uns feindselig an.
    – Also, da sind wir, – sagte der Versehrte und stieg als Erster aus dem Bus, das Case in der Hand.
    Einer nach dem anderen folgten wir ihnen, schlenderten über das Feld, hielten uns jedoch eng beieinander. Die Gasler kamen uns entgegen. Nach einer Weile trafen wir zusammen. Die Gasler runzelten die Stirn und spuckten ins Gras. Wir lockerten die Fäuste und knackten mit den Fingerknochen. Etwas entfernt standen die Hunde, sie waren in entsetzliches Gebell ausgebrochen. Schließlich hielt es der Vorarbeiter der Gasler – ein krummbeiniger goldzahniger Kerl in weißem Unterhemd und blauen Trainingshosen – nicht mehr aus:
    – Haut ab! – schrie er die Hunde an, worauf diese unwillig hinter den Schleppern verschwanden. Es wurde still.
    – Hi, Spaßler, – sagte der Versehrte.
    – Wir sind Gasler, – verbesserte ihn der Vorarbeiter pikiert.
    – Scheißegal, – antwortete Andrjucha Michael Jackson, und wir anderen nickten – stimmt doch, wirklich scheißegal.
    – Ihr seid zu spät, – erklärte der Vorarbeiter.
    – Na und? – Der Versehrte tat, als verstünde er nicht.
    – Euer Nichterscheinen wurde als Niederlage gewertet! – erklärte ein Kerl mit Brille und Narben auf dem Bauch, offenbar der Buchhalter.
    – Von wem denn? – fragte der Versehrte nach.
    – Vom Verband, – erklärte der Buchhalter herausfordernd.
    – Von welchem Verband? – fragte der Versehrte und fixierte ihn. – Dem Verband der Spaßler?
    – Der Gasler, – verbesserte ihn der Vorarbeiter.
    Unsere Mannschaft lachte gekünstelt, aber wie ein Mann. Als das Lachen verebbte, meldete sich wieder der Vorarbeiter zu Wort.
    – Schura, – sagte er zum Versehrten, – red nicht rum, ihr seid wirklich zu spät.
    – Und das heißt – ihr wollt nicht mit uns spielen? – fragte der Versehrte ungerührt.
    – Euer Nichterscheinen muss als Niederlage gewertet werden, – wiederholte, schon etwas unsicher, der Vorarbeiter.
    – Ein für alle Mal, – der Versehrte erhöhte den Druck. – Werdet ihr gegen uns spielen? Oder habt ihr Angst?
    – Nein, wir haben keine Angst! – stieß der Vorarbeiter scharf hervor. Der Versehrte verstand es offensichtlich, ihn unter Druck zu setzen.
    – Ja, wir haben keine Angst! – unterstützte der Buchhalter.
    – Dann lasst uns spielen, – sagte der Versehrte.
    Der Vorarbeiter drehte sich zu seinen Leuten um. Sie stellten sich im Kreis auf und begannen, flüsternd über etwas zu diskutieren. Schließlich kam der Vorarbeiter zu uns zurück.
     
    – Gut, – sagte er. – Wir werden gegen euch spielen.

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