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Die Erfindung des Jazz im Donbass

Die Erfindung des Jazz im Donbass

Titel: Die Erfindung des Jazz im Donbass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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viele Jahre vergehen mussten, bis endlich wieder alles so war, wie es sein sollte, alles war wie früher und ging seinen Gang. Das war beruhigend und gleichzeitig aufregend, da ist sie, die Freude des Erkennens, die Freude der Wiederkehr, das, was mir in den vergangenen Jahren, praktisch seit dem letzten Spiel, gefehlt hatte. Während ich darüber nachdachte, sah ich aus dem Augenwinkel, dass die Gasler sich von ihrer Niederlage zu erholen begannen, auf die Beine kamen und langsam, aber unaufhaltsam auf uns zuschritten. Offenbar hatten sie nicht vor, uns einfach so gehen zu lassen. Einer der Freunde sah meinen Blick. Jetzt merkten auch die anderen, dass sie sich näherten. Die Gratulationen verstummten. Wir bewegten uns nun ebenfalls in ihre Richtung. Die Mannschaften rückten aufeinander zu. Das musste ja so kommen, dachte ich. Sogar der Buchhalter kam, ohne Brille, wohl, damit sie nicht kaputtging, unsicher, als taste er sich vorwärts. Die Gasler blieben schwer atmend stehen. Auch wir stoppten. Die Scheinwerfer blendeten und machten unsere Gestalten durchsichtig, fast unsichtbar, als hätten sich hier Gespenster versammelt, um ihre Beziehungen zu anderen Gespenstern zu klären. Im Lichtschein flammten Goldkronen und Brustkreuze auf. An der Spitze ging der Vorarbeiter.
    – Schura, – wandte er sich an den Versehrten. – Das letzte Tor zählt nicht.
    – Aus welchem verfuckten Grund? – fragte der Versehrte bedächtig.
    – Es war abseits, – erklärte der Buchhalter.
    – Du Hirsch, – sagte darauf Andrjucha Michael Jackson, – ich verfüttere dich gleich an die Schafe.
    – Nicht so hastig, Brüderchen, – sprach der Vorarbeiter düster. – Es war abseits.
    – Abseits? – fragte der Versehrte.
    – Abseits, – wiederholten die Gasler missmutig, aber bestimmt.
    – Na dann, – sagte der Versehrte darauf und hatte plötzlich einen Totschläger in der Hand.
    Auch die anderen hielten plötzlich Totschläger, Nunchakus und Baseballschläger in den Händen. Die Gasler zogen Bretter, Soldatengürtel mit eigelötetem Blei und Ziegelscherben hinter ihren Rücken hervor. Es war, als begönne eine Art Nachspielzeit.
    Plötzlich traten zwei der Gebrüder Ballerlajeschnykow vor – Rawsan und Schamil.
    – Was soll der Scheiß?! – konstatierte Rawsan mehr, als dass er fragte. – Was heißt hier abseits? Abseits war er bei uns in der ersten Halbzeit.
    – In der ersten Halbzeit war er bei uns überhaupt nicht abseits, – verbesserte ihn Schamil überraschend.
    – Wieso nicht? – wunderte sich Rawsan. – Natürlich. Klar und eindeutig abseits.
    – Bullshit, – bestand Schamil auf seiner Meinung.
    – Bruder, – Rawsan wurde ärgerlich, – was laberst du da? Du warst nicht in der Nähe. Aber ich hab’s gesehen – abseits und basta.
    – Nein, – wiederholte Schamil.
    – Bruder, halt’s Maul, okay?
    – Es war nicht abseits, – wiederholte Schamil.
    – Was laberst du? – Rawsan wandte sich ihm zu. – Echt, du, was laberst du da?
    Die Mannschaften wagten nicht, auch nur ein Wörtchen zu sagen.
    – Na was denn? – Schamil nahm die Herausforderung an.
    – Na was wohl? – wütete Rawsan.
    – Und wenn schon? – wütete Schamil zurück.
    – Bullshit! – sagte darauf Rawsan und haute Schamil plötzlich mit voller Wucht eins über den Schädel.
    Schamil rollte ins Gras, kam aber schnell wieder auf die Beine, riss jemandem den Baseballschläger aus der Hand und warf ihn nach seinem Bruder. Der duckte sich weg, und der Schläger sauste an seinem Ohr vorbei. Rawsan schrie auf und warf sich auf den Gegner. Schlug ihn zum zweiten Mal zu Boden und begann, auf ihn einzudreschen, aber Schamil sprang ihn an und drosch nun seinerseits auf Rawsan ein. Da löste sich Baruch aus der Menge, trennte die Brüder mit den Beinen und begann auf beide gleichzeitig einzudreschen. Schamil und Rawsan, die so etwas nicht erwartet hatten, verteidigten sich eine Zeitlang, dann packten sie Baruch an den Beinen und schmissen ihn auf den Rasen; sie setzten sich auf ihn und droschen nun zu zweit auf ihn ein, doch nicht lange, denn Baruch schlängelte sich wie eine Natter unter ihren schweren Leibern hervor, drückte sie zu Boden und begann, sie zu pressen wie Kartoffelsäcke. Nach ungefähr fünf Minuten fielen alle drei kraftlos auseinander, sie atmeten schwer und spuckten blutigen Schleim ins Gras. Die Gasler schauten sich das alles in stummer Verwunderung an. Sie hatten Angst, sich zu rühren. Schließlich rief der

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