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Die Erfindung des Jazz im Donbass

Die Erfindung des Jazz im Donbass

Titel: Die Erfindung des Jazz im Donbass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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und Papier eingewickelt. Die Fenster waren von innen mit Vorhängen und Folien verdunkelt, wie zum Schutz vor Luftangriffen. Tolik schritt neben mir, die Flinte auf der Schulter, und erklärte mir alles: dass es viel Arbeit gäbe, Leben auf Rädern, Nächte auf großer Fahrt, das Geschäft verlange Bewegung und erlaube keinen Stillstand, alle hätten sich daran gewöhnt, alle seien mit dabei. Der Tisch war im Garten gedeckt, unter den Bäumen. Im Gras lagen rote Äpfel, im Laub hingen Spinnennetze, es war sonnig und windig. Den Priester setzte man als Ehrengast näher zum Brautpaar, neben ihm saß der Kerl mit dem Tuch, ab und zu wurden Glückwunschreden gehalten, in denen zu Aufmerksamkeit, Arbeitseifer und rechtzeitiger Abgabe der Steuererklärung aufgerufen wurde. Mich unterhielt der einäugige Tolik, später setzte sich Goscha im roten Hemd zu uns, die Schmuggler und Schieber erwiesen sich als gastfreundliches und leutseliges Volk, sie bevorzugten die, wie sie es nannten, mediterrane Küche, wenn sie auch gegen Ende der Veranstaltung anfingen, den moldawischen Kognak mit Limonade hinunterzuspülen. Mir kam der Gedanke, dass es seine Richtigkeit hatte, sich bei Hochzeiten und Beerdigungen als Gemeinde zu versammeln, etwas Primitives und Positives lag darin, dass der Priester mit ihnen am selben Tisch saß und dieselbe Limonade trank, dass alle der Reihe nach mit der Braut tanzten und den Bräutigam brüderlich und schmatzend küssten wie einen guten Freund, der sie plötzlich alle von einer Menge Probleme befreit hatte.
    Das Brautpaar bekam einen Berg Geschenke. Es überwog deutsche Küchen- und Haushaltstechnik, unter anderem gab es viele Geräte der Firma Bosch. Tolik erklärte mir, dass vor wenigen Tagen eine Lieferung vom Geschäftspartner der Firma Bosch aus Transkarpatien eingetroffen war, der dort diverse nützliche Geräte für Haus und Garten herstellte und aufgrund einer merkwürdigen Abmachung das Bosch-Logo daraufsetzen durfte. In der Nacht werde die Lieferung in Richtung Nordkaukasus abgehen, wo sich Bosch-Geräte traditionell großer Nachfrage erfreuten, so habe nun jeder zu Hause alle Schränke voll mit Bosch-Rasenmähern und Bosch-Motorsägen, und in den Kellern harrten verpackte Kühlschränke und Mikrowellen ihrer Stunde. Vielleicht waren die Hochzeitsgeschenke eben deswegen etwas einförmig, das Brautpaar bekam zwei identische Drillbohrer, zwei identische Gartensägen, einige elektrische Heckenscheren und sogar ein paar Bau-Lasergeräte mitsamt Stativ. Ich äußerte Zweifel, ob sie das alles wirklich gebrauchen könnten, aber Tolik beruhigte mich, indem er erklärte, der Bräutigam sei mit im Geschäft und dass er das Ganze ohne Probleme an Osseten oder vielleicht auch Inguschen verticken könne und vom Erlös ein Backsteinhaus bauen werde.
     
    Es dämmerte rasch, vom nächststehenden Haus zog man ein Kabel herüber, und das Apfelbaumgeäst leuchtete neblig im milden elektrischen Licht. Tolik und Goscha machten sich auf den Weg. Sie küssten lange den Bräutigam, drückten der Braut die Hand, wünschten dem Priester süße Träume und verabschiedeten sich zärtlich von Tamara. Der Priester beschloss über Nacht hierzubleiben, bei den Schiebern und Schmugglern, die überwiegend betrunken waren, sich aber friedfertig und tolerant benahmen.
    – Wohin wollt ihr denn? – fragte ich Tolik.
    – Zeit, zur Arbeit zu gehen, – antwortete er und deutete mit der Hand irgendwo nach Osten, wo sich die Finsternis zusammenzog und die blauen Oktobersterne aufleuchteten.
    – Ich komme mit, – meldete ich mich.
    – Okay, – Tolik hatte nichts dagegen. – Aber es ist dunkel, du siehst nichts.
    – Was soll’s, – sagte ich. – Egal.
    *
    Wir kämpften uns lange durch schwarze Apfelplantagen, stapften durch das trockene, dick mit Spinnweben verklebte Gras. Tolik und Goscha schritten sicher voran und wechselten immer wieder leise ein paar Worte. Sie hetzten mich nicht, und wenn ich zurückblieb, hielten sie im Gras an und warteten geduldig. Schließlich kamen wir auf offene Wiesen. Der Himmel war wolkenverhangen, so dass ringsum eine Dunkelheit herrschte, als sei die Luft mit Teer durchtränkt. Tolik und Goscha ertasteten einen Pfad und drangen immer tiefer in die Nacht. Ich verlor sie aus den Augen, hörte nur ihre Schritte und leise Stimmen, die sich verdoppelten und vervielfachten, als sei da vorne ein ganzer Trupp von Wanderern unterwegs. Während ich mich durch die Schwärze bewegte, versuchte ich

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