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Die Erfindung des Jazz im Donbass

Die Erfindung des Jazz im Donbass

Titel: Die Erfindung des Jazz im Donbass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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letzten Strahlen. Wir erreichten das Auto. Sjewa öffnete die Motorhaube und schaute sich die Beulen an. Tamara stieg ein. Auch ich fiel in meinen Sitz. Der Punk stand neben Sjewa und wusste nicht, wie er sich verhalten sollte.
    – Werden sie ihm auch nichts tun? – fragte Tamara leise.
    – Keine Angst, – antwortete ich. – Alles wird gut.
    – Danke, dass du mir geholfen hast, – sagte sie weiter. – Ich hatte solche Angst.
    – Ist schon in Ordnung.
    Der Punk trat zu Sjewa und kroch ebenfalls unter die Motorhaube. So lange er nicht zu sehen war, nahm ich schnell das Handy, öffnete es und fand die zuletzt gewählte Nummer. Freizeichen.
    – Hallo, – sagte der Versehrte.
    – Schura, ich bin’s. – Ich versuchte, leise zu sprechen, damit es der Punk nicht hörte. – Hörst du?
    – Hermann? – Der Versehrte erkannte mich. – Red lauter.
    – Ich kann nicht lauter, – flüsterte ich weiter. – Was ist los bei euch?
    – Also, Hermann, – schrie der Versehrte. – Man hat dich heute Morgen hier gesucht.
    – Wer?
    – Weiß nicht. Die Miliz war es jedenfalls nicht. Zivile. Sie kamen am Morgen und fragten lange rum.
    – Und was hast du gesagt?
    – Dass du weggefahren bist. Zu deinem Bruder. Und dass ich nicht weiß, wann du kommst.
    – Und sie?
    – Haben gesagt, dass sie wieder vorbeischauen, dass sie dich wirklich gerne sprechen möchten. Und dann, Hermann, sind sie in die Stadt gefahren.
    – Und was soll ich jetzt machen?
    – Also, – sagte der Versehrte, – komm lieber nicht hierher. Ich glaube, die kommen wieder. Besser, du fährst wirklich für ein paar Tage weg. Bis sich der Staub gelegt hat.
    – Wo soll ich denn hin?
    – Verdammt, Harry, irgendwohin, – schrie der Versehrte. – Also gut, – beruhigte er sich plötzlich, – wann kommt ihr?
    – Weiß nicht, – sagte ich. – Spät.
    – Sobald ihr in der Nähe seid, – sagte der Versehrte, – ruf mich noch mal an. Steig am Bahnübergang aus und geh zum Bahnhof. Ich erwarte dich dort. Knete und Papiere bringe ich mit.
    – Danke, Schur.
    – Schon gut, – antwortete der Versehrte und verschwand aus dem Äther.
    – Was ist los? – fragte Tamara.
    – Bei der Arbeit gibt’s Probleme, – antwortete ich ihr.
     
    Die Zeit verging langsam und schwer, als klammerte sie sich an die Garagendächer und die landwirtschaftlichen Maschinen. Es wurde dunkel und kalt. Da bog ein ganzer Haufen um die Ecke. Vorneweg rannte der Hund und wedelte hingebungsvoll mit dem Schwanz. Hinter ihm schritt selbstbewusst der Priester. Dahinter kamen die Bauern dicht gedrängt. Bei uns angekommen, winkte der Priester allen zu. Los geht’s! – sagte er fröhlich zu Sjewa und setzte sich auf seinen Platz. Einer der Bauern trat zu Sjewa und gab ihm schweigend die Autoschlüssel zurück. Die Bauern sahen bestürzt aus, traten von einem Bein aufs andere, husteten in die Fäuste, ohne etwas zu sagen.
    Sjewa schloss knirschend die Motorhaube und trat zum Punk.
    – Das Handy, – sagte er entschieden.
    – Was? – stutzte der Punk.
    – Her mit dem Handy, – wiederholte Sjewa fest.
    Der Punk sah sich nach seinen Kumpanen um, als er dort aber keine Unterstützung fand, kramte er Sjewas Mobiltelefon aus seiner Tasche. Sjewa nahm es, setzte sich ans Steuer, ließ das Auto an und drückte aufs Gas. Drehte eine Ehrenrunde um die Bauern und entfernte sich dann schnell von diesem ölgetränkten Ort.
    *
    Erst als wir fuhren und die Maisstengel wieder an unsere Kotflügel stießen, beugte ich mich zum Priester hinüber.
    – Alles klar? – fragte ich.
    – Ja, alles prima, – versicherte er fröhlich.
    – Worüber haben Sie gesprochen?
    – Ach, – antwortete er leichtfertig, – über alles und nichts. Über die Straßen, die wir gehen müssen. Über die Vorsehung, die uns auf unserem Weg lenkt. Vor allem aber über Reformen in der Landwirtschaft.
    – Jetzt mal ehrlich – worüber? – bohrte ich nach.
    – Hermann, wenn die Zeit reif ist, wirst du alles erfahren, – antwortete der Priester, holte aus einer Tasche ein Zippo-Feuerzeug, aus der anderen ein frisches Taschentuch, schlug damit vorsichtig das Feuerzeug ein und steckte es zurück in die Tasche.
    Dann schlummerte er ein.
    *
    Die Luft war schwarz und steinern wie Kohle. Die Scheinwerfer überfluteten die Straße mit fettem Gold, aus den Feldern tauchten Füchse auf, deren Augen furchtsam loderten und traurig verloschen. Sjewa löste den Blick nicht von der kaputten Straße. Plötzlich kroch Tamaras

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