Die Erfindung des Lebens: Roman
neuen italienischen Romanen, deren Lektüre meine Sprachkenntnisse weiter verbessern könnte, da ich aber nicht einen einzigen Titel fand, der mich irgendwie interessierte, kaufte ich mir eine historische Studie über das Leben Konstantins des Großen, ließ das Buch als Geschenk einbinden und verließ die Buchhandlung wieder.
Wie meist nach einem langen Schreibtag hatte ich starken Durst (ich trinke während des Schreibens nichts, nicht mal einen Kaffee, keinen Tee, nicht einmal Wasser, ich trinke rein gar nichts), und so streunte ich etwas über den großen Platz vor meinem Wohnhaus, um die richtige Adresse für ein erstes Getränk am Nachmittag zu finden. Meist trinke ich zunächst eine kleine Flasche Wasser, dann aber einen Campari, ich trinke Campari beinahe ausschließlich am späten Nachmittag oder am frühen Abend, nie käme ich auf die Idee, nachts noch einen Campari zu trinken, und erst recht würde ich niemals einen Campari nach einer Mahlzeit trinken.
Ich dachte ein wenig über meine merkwürdigen Trinksitten nach und spielte im Kopf zunächst das Campari-Spiel durch (wann und wo trinke ich Campari, vor welchen Mahlzeiten trinke ich ihn am liebsten, trinke ich ihn gerne zu zweit?), um nach einer Weile zu bemerken, dass meine morgendliche Romanarbeit mich noch immer im Griff hatte. Von diesen Spielen im Kopf mit bestimmten Begriffen, von diesem Ein- und Zuordnen und Sortieren und Umsortieren hatte ich nämlich am Morgen erzählt und geschrieben, jetzt aber wurde ich diese Themen nicht los und verhielt mich wie der kleine Junge, der am Tisch einer Gartenwirtschaft saß und lauter Worte für bestimmte Tischgeräte aufzählte und durchging.
Als ich mich dabei ertappt hatte, musste ich lächeln, ich wusste ja aus Erfahrung, wie stark mich das Schreiben usurpierte, am besten war es, quer über den Markt zu gehen und eine der kleinen Bars zu betreten, in denen ich angesprochen und damit auf andere Gedanken gebracht wurde. Und so ging ich quer über den Testaccio-Markt und dann in die nächstbeste kleine Bar und bestellte, ganz gegen meinen Vorsatz, einen schwarzen Caffè und einen Anisschnaps, mein Gott, ich war anscheinend wirklich etwas durcheinander, denn es gehörte gewiss nicht zu meinen Gewohnheiten, den späten Nachmittag mit einem Anisschnaps einzuleiten.
Ich dachte noch darüber nach, warum mir diese Bestellung unterlaufen war ( Campari ist im Grunde ein typisches Träumer- und Mitsummer-Gesöff, dachte ich), als ich Mariettas Mutter die Bar betreten sah. Als wir uns erkannten, war es uns beiden peinlich, einander gleich wieder zu begegnen, sie lächelte aber tapfer und kam sofort auf mich zu und erklärte mir, dass sie während ihres Einkaufs etwas vergessen habe und deshalb noch einmal schnell auf den Markt geeilt sei.
Was trinken Sie denn da? , fragte sie, und ich erklärte es ihr, obwohl ich mich schämte, ja, ich schämte mich wahrhaftig, gerade ein so blödes Getränk wie einen Anisschnaps zu trinken, was hinterließ das bloß für einen Eindruck?, und was würde ich selbst von einem Menschen halten, der etwas so Dämliches wie einen Anisschnaps trank?
Was möchten Sie trinken? , fragte ich sie daher rasch, sie überlegte einen Moment, dann aber sagte sie, dass sie seit ewigen Zeiten keinen Anisschnaps mehr getrunken habe und eigentlich gar nicht mehr wisse, wie so etwas schmecke, und dass sie deshalb gern einen solchen Schnaps trinken würde, einen solchen Schnaps und einen schwarzen Caffè.
Wir unterhielten uns dann eine Weile sehr angeregt, mein leerer, ausgeschriebener Kopf machte erstaunlich gut mit, ich erfuhr, dass Mariettas Mutter mit Vornamen Antonia und mit Nachnamen Caterino hieß, Letzteres hatte ich bereits gewusst, aber nicht behalten, irgendwann war mir der Name auf dem Türschild der Wohnung aufgefallen.
Antonia Caterino war von Beruf Historikerin, sie hatte einige kurze und anscheinend erfolgreiche Jahre als Assistentin an der Universität hinter sich, dann aber hatte sie geheiratet und Marietta geboren, der Karriereeifer war ein wenig gebrochen, sie hatte die universitäre Stelle verloren, schließlich war sie Gymnasiallehrerin geworden. Ich verstehe, sagte ich am Ende ihres kurzen Vita-Berichts, deshalb sehe ich Sie nie am Vormittag, ich sehe Sie nie, weil Sie in der Schule sind!
Zum Glück ging sie über diese einfältige Bemerkung hinweg und befragte mich nach weiteren biographischen Angaben zu meiner Person, ich sagte ihr, dass ich Schriftsteller sei
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