Die Erfindung des Lebens: Roman
und gerade an einem Roman über meine Biographie arbeite, weswegen ich gerade jetzt nicht gern über mein bisheriges Leben sprechen würde, dieses Sprechen würde mich durcheinanderbringen, und gegenüber einem Schreibstoff gelte sowieso ein absolutes Schweigegebot.
Sprechen Sie mit niemandem über ein in Arbeit befindliches Manuskript?, fragte sie neugierig, und ich bedauerte sofort, nicht gelogen und mich als Architekt oder Immobilienhändler ausgegeben zu haben. Die meisten Menschen geraten nämlich, wenn sie einem Schriftsteller begegnen, in eine gewisse Verzückung, als wäre es das Großartigste und Seltenste auf der Welt, einem Menschen zu begegnen, der täglich einige Seiten mit Buchstaben und Worten füllt. Meist beginnt dann ein ewiges Fragen ( Schreiben Sie noch mit der Hand? Machen Sie sich vorher Notizen? Wie lange arbeiten Sie an einem Roman?) , es handelt sich um eine Fragerei, die niemand einem Architekten oder Immobilienhändler zumuten würde ( Besichtigen Sie die Wohnungen, die Sie verkaufen wollen, vor einem Kundengespräch selbst? Machen Sie sich dabei Notizen? Wie lange brauchen Sie für einen Verkauf?), mit der ausgerechnet Schriftsteller aber unaufhörlich genervt werden.
Ich antwortete wahrheitsgemäß, dass ich während der Arbeit an meinem Manuskript mit niemandem über dieses Manuskript sprechen würde, und ich gab zu erkennen, dass ich wirklich nicht gern über dieses Thema sprach, nein, ich wollte am Ende eines anstrengenden Schreibtages wahrhaftig nicht über Einzelheiten meiner Arbeit sprechen.
Wir schafften es dann erstaunlicherweise, das Thema fallen zu lassen, und unterhielten uns etwa noch eine Viertelstunde weiter, am Ende unseres Gesprächs kam Antonia dann jedoch seltsamerweise noch einmal auf mein früheres Angebot zurück und schlug mir vor, einmal zu ihr und Marietta zum Abendessen zu kommen, wir könnten gemeinsam etwas kochen, Marietta mache das Kochen Spaß und außerdem spiele sie Gästen gern etwas auf dem Klavier vor.
Ich war von diesem Angebot regelrecht betört, sehr gut, dachte ich, endlich sind meine einsamen Tage zu Ende, nichts tue ich jetzt lieber als mit anderen Menschen nach einem langen Schreibtag ein Abendessen zu kochen, während der Kocharbeit etwas Wein zu trinken und einem leidlich gut spielenden Kind dabei zuzuhören, wie es den ersten Satz von Johann Sebastian Bachs Italienischem Konzert spielt.
Ich schlug vor, noch an diesem Abend schriftlich ein kleines Menu zu komponieren, meine Menu-Angaben würde ich Antonia in den Briefkasten werfen, sie könnte sie korrigieren oder ergänzen, je nach Mariettas und ihrem Geschmack, und dann solle sie den Zettel zurück in meinen Briefkasten werfen, damit ich am nächsten Tag einkaufen gehen und die Bestandteile unserer Mahlzeit besorgen könne.
Wollen wir gleich morgen Abend zusammen essen?, fragte ich, und Antonia Caterino lächelte wieder und stimmte zu, nicht ohne sich über das Procedere lustig zu machen, das ich für die Zusammenstellung des abendlichen Menus vorgeschlagen hatte. Dann aber leerten wir unsere Gläser Anisschnaps, und Antonia Caterino verabschiedete sich.
Als sie verschwunden war, griff ich gleich nach meinem Notizheft und notierte noch im Stehen an der Bar die Zusammenstellung des Menus, ich dachte an etwas typisch Römisches, an eine Kichererbsensuppe mit etwas Pasta, an Penne mit Artischocken und an eingekochte, fruchtige Aprikosen mit etwas Eis. Kein Fleisch, kein Fisch, sondern geradezu spartanische, einfache Gerichte! Marietta, vermutete ich, würde so etwas mögen, und Antonia mochte so etwas wahrscheinlich auch, jedenfalls konnte ich mir nicht vorstellen, dass ich den beiden mit gut gewürzten Fleischspeisen oder raffiniert zubereitetem Fisch eine Freude gemacht hätte.
Noch am gestrigen Abend warf ich diesen Menuvorschlag, den ich zuvor noch ordentlich abgetippt und ausgedruckt hatte, in den Briefkasten der Familie Caterino und erhielt ihn bereits heute Morgen mit der Bemerkung, dass meine Vorschläge mit Freude angenommen würden und es nichts zu ändern gebe, zurück. Nun gut, so etwas hatte ich mir ja bereits gedacht, ich hatte den Geschmack von Marietta und Antonia anscheinend genau getroffen.
Da mich der Gedanke an das abendliche Menu jedoch sehr beschäftigte, verbrachte ich den halben heutigen Morgen, ganz gegen meine sonstige Gewohnheit, auf dem Markt und in seiner Umgebung. Ich kaufte ein, ich unterhielt mich hier und dort über die beste Zubereitung einer
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