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Die Erfolgsmasche

Titel: Die Erfolgsmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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anderen schniefenden Helmträgern in der Gondel sitzen. »Meine Frau hat mich schon vor Jahren verlassen.«
    Was ich ihr nicht verdenken kann. Er hätte ja mal in den Spiegel schauen können.
    In dem Moment kommt eine SMS, und ich ziehe das Handy
aus meiner Brusttasche: »Max hat gesagt, sein Vater sieht okay aus! Sorry! Sohn«
    Ich beiße mir auf die Unterlippe und nicke Lutz betroffen zu.
    Die weiblichen Wesen in der Gondel recken indessen interessiert die Hälse.
    »Als alleinerziehender Vater erlebt man ja die unglaublichsten Dinge«, spricht Lutz unverdrossen weiter. »Was diese jungen Leute so alles anstellen …«
    »Was Sie nicht sagen!«, antworte ich, wobei ich mir fast schon das Lachen verbeißen muss. Na ja, das Weinen verbeiße ich mir schon die ganze Zeit.
    »Da könnte ich glatt ein Buch drüber schreiben«, sagt Lutz zufrieden, während wir langsam in die dickste Nebelschwadensuppe hineingleiten.
    Auf einmal sehne ich mich nach meinem Bett, nach einer Wärmflasche und nach einem gemütlichen Suizidversuch. Was bin ich nur für ein armes Schwein? Warum treffe ich keine Traummänner, die mir die Hand küssen, natürlich mit einer appetitlichen Nase, und die mir sagen, wie schön und reizend und klug ich bin? Die mich in ihrer Villa wohnen lassen, unendlich viel Kohle verdienen und mich zu ihrer Gattin machen?
    Nein, Sonja Rheinfall. Bei »reicher Gatte« bist du gar nicht erst aufgetaucht! Da war die Schlange von hysterisch »Hier!« schreienden, gelifteten, wasserstoffblond gefärbten Weibern so lang, dass du das Kampfgetümmel in weitem Bogen umrundet hast!
    Nun sitzen wir mit acht anderen Leuten Popo an Popo in der Gondel, während der eiskalte Sturm an uns zerrt. Ich starre in den Nebel hinaus und verschanze mich hinter meiner Skibrille.

    Lieber Gott, lass diesen Tag einfach nur vorübergehen. Und diesen Kerl auch. Einfach alles. Meinetwegen auch mein Leben.
    Unsere Gondel schwebt durch die dicken Wolken, und ich male mir schon die grässliche Mondlandschaft dort oben aus, in der man die Hand vor Augen nicht sieht. Lutz wird mich zwingen, bei akuter Lawinengefahr hinter ihm her zu wedeln und in seiner Spur zu bleiben. So wie Jochen früher. Ich kann nicht besonders gut Ski fahren, und im Grunde bin ich nur hier, um meinem Alex eine Freude zu machen. Ob er das überhaupt begreift?
    Plötzlich reißt die Wolkenschicht auf, und auf einmal bricht sich die Sonne Bahn. Wir sind über den Wolken! Wahnsinn. Der Himmel ist von einem so intensiven Blau, dass man es kaum begreifen kann. Wendet sich das Blatt plötzlich? Ist das ein Zeichen?
    Die Leute in der Gondel machen sich gegenseitig auf das herrliche Bergmassiv des Hochkönigs aufmerksam, das noch rötlich in der Morgensonne strahlt.
    Plötzlich gibt es einen spürbaren Ruck, und dann bleibt unsere Gondel unter heftigem Schaukeln in der Luft hängen. Es geht weder vor noch zurück.
    Ich schließe kurz die Augen, um die aufsteigende Panik zu bekämpfen. Unter uns tut sich ein zwanzig Meter tiefer Abgrund auf. Ich hatte zwar gerade ziemlich intensiv an Selbstmord gedacht, aber an einen mit viel Alkohol und Schlaftabletten. Hier runterknallen möchte ich definitiv nicht.
    Die anderen Gondelgäste lassen sich nicht das Geringste anmerken. Für die scheint das ganz normal zu sein. Ich presse meine Hände in den Sitz, um dieses Schaukeln besser ertragen zu können. In meiner Skiunterwäsche beginne ich zu schwitzen.

    »Wie gesagt - ich bin ja alleinerziehend«, nimmt Lutz seine Konversationsbemühungen wieder auf. »Und da lerne ich immer schöne Frauen kennen.« Die anderen kichern erfreut, und Lutz grinst mich schiefzahnig an.
    Meint der … ähm … mich? Soll das ein Annäherungsversuch sein? Er kann doch gar nicht wissen, ob ich schön bin. Unter meinem weißen Helm, hinter der Skibrille und in meinem weißorangen Skianzug fühle ich mich hässlicher denn je! Ich betrachte angestrengt die schneebeladenen Tannen und Fichten, die sich vom leuchtend blauen Himmel abheben, und überlege, ob man im Notfall auf die Baumkronen springen und was man sich dabei alles brechen könnte.
    »Da hat man immer was zu erzählen«, sagt Lutz zufrieden.
    Die anderen weiblichen Wesen in der Gondel lächeln ihn interessiert an.
    »Ein alleinerziehender Vater«, sagt eine knapp Sechzigjährige plötzlich anerkennend. »Hut ab, das gefällt mir.«
    Eigentlich müsste sie sagen: »Helm ab«, aber sie hat »Hut ab« gesagt. Auch so ein Ausdruck, den jüngere Menschen nicht mehr

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