Die Erfolgsmasche
Blicken.
»Nachblutungen oder so«, sagt der Bursche. »Der Pauli hat sie begleitet. Sie waren ja nicht da.«
So. Jetzt habe ich wieder den Schwarzen Peter. Ich bin schuld. An allem. Natürlich auch an einer eventuellen Schwangerschaft des Klons.
»Raus jetzt aus diesem Zimmer«, stoße ich hervor. »Und wehe, ihr taucht hier noch einmal auf!« Ich mache auf dem Absatz kehrt und renne davon.
29
Zum Glück erweisen sich meine Sorgen um Greta als unbegründet. Sie sitzt händchenhaltend mit Pauli im Aufenthaltsraum und spuckt Blut durch ihre Zahnspange in eine Pappschale. Das ist ein dermaßen rührender Anblick, dass mir die Tränen kommen. Welche Vierzehnjährige hat denn schon so eine krisenfeste Bindung und wird so treu von einem Sechzehnjährigen geliebt - auch wenn sie ungeschminkt ist und ein klein kariertes Nachthemd trägt?
»Wie geht es dir, mein Schatz?« Ich sinke in den freien Stuhl an ihrer Seite und streiche ihr das verschwitzte Haar aus der Stirn.
»Passt scho.«
»Tut es sehr weh?«
»Passt scho.«
»Kann ich irgendwas für dich tun?«
» Passt scho, Mama! « (krächz, spuck)
»Geh doch wieder in dein Bett«, sage ich besorgt. »Du bist frisch operiert und sollst dich ausruhen.«
Greta verzieht schmerzverzerrt das Gesicht.
»Mamaaaaa!«
Mein Gott, ich kann aber auch penetrant sein! Als ich überlege, wohin ich jetzt gehen kann, um am wenigsten aufzufallen, öffnet sich die Tür zum Aufenthaltsraum, und eine blaue Friedenstaube weht herein.
Bitte jetzt kein lauwarmer Blumenkohlbrei im Plastiknapf!
»Da wäre Besuch für Sie«, zwitschert sie freundlich. Dabei kichert sie so eigenartig, und im Hintergrund sehe ich andere Schwestern die Hälse recken.
»Isser des?«
»Naa, des isser net!«
»Noch mehr Besuch für Greta? Nein, das halte ich für keine gute Idee«, sage ich und stelle mich schützend vor mein armes Kind. »Meine Tochter braucht Ruhe. Sagen Sie den jungen Leuten, sie sollen morgen wieder ko …« Mir bleibt das Wort im Halse stecken.
Denn eine schwarz gekleidete Gestalt schiebt sich hinter der Schwester her.
Mir bleibt das Herz stehen. Alles Blut schießt mir aus dem Gesicht und staut sich augenblicklich in meinen Zehen.
Es ist Richard. Richard Berkenbusch.
»Du hast gesagt, dass du etwas mit mir besprechen musst, das nur uns beide etwas angeht. Da habe ich gedacht, es ist am besten, wir sprechen mal in aller Ruhe unter vier Augen.« Richard schlendert neben mir durch den Krankenhausgarten. Er duzt mich wieder! Die Amseln singen, die Kastanien blühen, und blauweiße Friedenstauben flattern aufgeregt zwischen den Gebäuden hin und her.
»Des isser doch!«
»Naaa, des isser net!«
Ich habe Mühe, das Zittern in meinen Beinen zu unterdrücken.
»Dasselbe wollte ich zu dir sagen«, beginne ich schüchtern. »Ich muss dich wirklich dringend unter vier Augen sprechen. Es ist nämlich etwas … vorgefallen.«
»Du machst es aber spannend«, sagt Richard und bleibt stehen. Er schaut mir in die Augen und lächelt so, dass meine Knie zu Pudding werden.
Eine ganz vorwitzige Friedenstaube wagt sich in unsere Nähe und zwitschert: »Hättens an Autogramm dabei?«
Ganz automatisch greife ich in das Außenfach meiner Handtasche und reiche ihr im Vorbeigehen eines. Es ist bereits mit »Sebastian Richter« unterschrieben.
Sie drückt es glücklich an ihren Kittel und flattert zu den anderen, die abwartend auf der Stange hocken.
Richard hat davon, Gott sei Dank, gar nichts mitbekommen, denn auch er hat etwas auf dem Herzen:
»Du hattest natürlich völlig recht mit dem, was du vorhin am Telefon sagtest«, fährt er fort. »Meine Frau braucht wirklich therapeutische Hilfe. Und es ist wirklich ziemlich dreist von mir zu erwarten, dass du mir aus der Patsche hilfst. Das kann ich nicht von dir verlangen.«
Letzteres wäre mein Text gewesen. Und zwar im O-Ton!
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie sich die hellblau gewandeten Krankenschwestern kichernd das Autogramm zeigen. Sie scheinen sich zu beraten, welche sich als Nächste zu uns vorwagen soll.
»Lass uns hier entlanggehen …« Ich zupfe Richard am Ärmel und lenke ihn in eine Kastanienallee, um ihn vor den Blicken der Schwestern zu schützen.
Doch da kommt schon die nächste vorwitzige Blauweiße herbeigehüpft. Ich sehe sie so drohend an, dass sie sich nicht näher herantraut.
Richard bleibt stehen. »Du bist gar keine Klavierlehrerin. Habe ich recht?« Er schaut mir prüfend ins Gesicht. »Du kannst gar nicht
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