Die Erfuellung
Wort gesagt hatte, wurde ihr warm ums Herz. Zumindest Shane war auf ihrer Seite.
»Am besten zeige ich Ihnen zuerst die Gebäude.« Ralph Batley knöpfte seine Jacke zu, ohne sie anzusehen.
Nachdem sie seine Haltung ihr gegenüber nun kannte, brachte sie nur mit Mühe ein »Ja« heraus.
Die Hintertür führte auf einen gepflasterten Platz, der auf zwei Seiten von einer Trockenmauer eingefasst wurde, sich aber zum Grasland hin öffnete. Als sie aus dem Schutz der Mauern trat, hatte sie das Gefühl, bis ans Ende der Erde sehen zu können, so weit reichte das Land vor ihr.
Etwas entfernt funkelte zu ihrer Linken das Meer in der harten Wintersonne, aber Batley hatte sich bereits nach rechts gewandt. Sie folgte ihm, wobei sie sich ein wenig hinter ihm hielt. Jetzt standen sie im Wirtschaftshof, dessen peinliche Sauberkeit ihr bereits am Vorabend im Licht der Taschenlampe aufgefallen war.
»Das hier ist der Hauptstall.« Er öffnete die Tür und trat ein wenig widerwillig zur Seite, um sie durchzulassen. Sein Ton war schroff, als wollte er die Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen. »Wir haben achtzehn Milchkühe, alles Ayrshires.«
»Sind die Tiere draußen?«, fragte Linda angesichts der leeren Boxen überrascht.
»Ja, natürlich. Die halten schon was aus. Das müssen sie hier oben auch.«
Für eine Sekunde schloss sie die Augen. Musste er ständig darauf herumreiten, wie robust alles auf seinem Hof zu sein hatte?
Sie war moderne Melkanlagen und Geräte gewöhnt, von denen hier nichts zu sehen war. Auf jeden Fall waren die Boxen makellos sauber. Entzückt stellte sie fest, dass an den Pfosten Schilder mit den Namen der Tiere angebracht waren. Obwohl sie ihrer Begeisterung gern laut Ausdruck verliehen hätte, brachte sie kein Wort über die Lippen.
Nun ging er an ihr vorbei zum Ende des Stalls, wo sich die Milchkammer befand, die sich durch geradezu klinische Sauberkeit auszeichnete. Die Kannen funkelten, und der Holztisch, der sich über die gesamte Länge einer Wand zog, war von blendendem Weiß. Auf einer Marmorplatte ganz hinten im Raum lagen Formen und hölzerne Rollen griffbereit. »Ist das schön!«, rief sie unwillkürlich aus. Es kam von Herzen, denn sie fand diese Sauberkeit ebenso anrührend wie andere Gedichte oder Musik.
»Meine Mutter kümmert sich darum.« Er ging schon wieder voran. Das hätte sie sich denken können, aber sie fragte sich, wie Mrs Batley bei all ihrer Arbeit in Haus und Küche die Zeit dazu fand.
Durch einen engen, oben offenen Gang gelangten sie in einen weiteren Hof mit hohen Mauern, in dem etwa ein Dutzend Galloway-Rinder standen. Bis auf zwei Tiere waren es prachtvolle Exemplare. Die beiden hatten kahle Flecke auf den Hinterbacken, die sie fleißig vergrößerten, in dem sie ihre Hüften an den Kanten des Heutrogs in der Mitte des Hofes rieben. Ralph Batley verdarb ihnen den Spaß jedoch gründlich, indem er mit der flachen Hand auf sie einschlug. »Schluss damit! Hör auf, Judy! Du auch, Beth.«
Für einen Augenblick hatte Linda völlig vergessen, wo sie war. Vor ihr standen zwölf prächtige Galloway-Rinder – ihr Onkel hatte keine besseren –, für die sie nun ein Jahr lang sorgen durfte. Vielleicht konnte sie helfen, ihre Kälber auf die Welt zu bringen, so wie sie es letzte Nacht getan hatte. Unglücklicherweise ließ sie sich von ihrer Begeisterung hinreißen. »An diesen Dingern reiben sie sich immer«, verkündete sie, die Hand auf den Futtertrog gelegt. »Mein Onkel hat alle abgeschafft. Sie sollten …« Ihre Stimme erstarb, als ihr bewusst wurde, was sie da sagte.
Ralph Batley starrte sie aus schmalen Augen an.
»Ich meine nur, dass sich die Tiere gern an den Kanten scheuern.« Ihre Finger huschten über die scharfen Ecken des Troges. »Das liegt vermutlich daran, dass sie zu viel Pro … tein bekommen.« Das hatte ihr Onkel ihr erklärt. Ihre Stimme brach erneut. Nun hatte sie es sich wohl endgültig mit ihrem Arbeitgeber verdorben. Sie senkte den Blick und wandte sich betrübt ab.
»Tun Sie sich keinen Zwang an«, gab er zurück. »Ich habe also nicht nur den falschen Futtertrog, sondern gebe den Tieren auch noch zu viel Protein. Reden Sie nur weiter, ich bin immer daran interessiert, etwas über Rinderzucht zu erfahren.«
Sie fuhr herum. »Es tut mir Leid«, entschuldigte sie sich ohne aufzusehen. »Ich wollte Ihnen keineswegs etwas beibringen, ich bin ja hier, um zu lernen. Was … ich wollte nicht …« Ihr Kopf sank noch tiefer.
»Nun,
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