Die Erfuellung
weiter. »Sie hatte ein schönes Sümmchen. Ihre Eltern waren kurz nacheinander gestorben und hatten ihr Brookside hinterlassen, eine Farm, die größer war als die hier. Die hat sie dann verkauft, und Jack Cadwell hatte sich schon ausgerechnet, was er mit dem Erlös anfangen würde. Und auf einmal ist sie Mrs Peter Batley! Oh, Mann, ich weiß noch, was das für eine Aufregung war. Damals wurden Wetten abgeschlossen, wie lange es dauern würde, bis Cadwell Batley zu Brei geschlagen hätte. Keiner dachte, dass er es so schlau anfangen und dafür sorgen würde, dass der sich zu Tode soff. Wo wollen Sie denn hin?«
»Ich bringe das Futter raus.«
»Und was ist mit der Milch?«
»Das ist der letzte Eimer, den können Sie doch bestimmt selbst wegbringen.«
»Der Boss hat gesagt, Sie sollen hier bleiben und mir helfen.«
Linda, die schon auf dem Weg zur Tür war, blieb stehen. »Dann melden Sie ihm doch, dass ich meine Arbeit nicht richtig mache!«, rief sie zurück.
Darauf erhielt sie keine Antwort. Sie konnte Watson nicht sehen, aber sie hörte, wie er sich von seinem Schemel erhob. Hastig wandte sie sich um und lief auf die große Scheune zu. Im Augenblick konnte sie Sep Watsons Geschwätz nicht mehr ertragen. Arme Mrs Batley, dachte sie wieder und wieder. Weil sie ihn hatte sitzen lassen –, wenn man das so nennen konnte –, quälte Cadwell sie seit Jahren. Gestern hatte Sep Watson davon gesprochen, wie wütend Cadwell gewesen war, als sein Sohn Patricia Batley geheiratet hatte. In Anbetracht der Umstände konnte sie sich vorstellen, wie aufgebracht er gewesen war. Zum zweiten Mal war sein Plan, durch Heirat Geld in seine Familie zu bringen, vereitelt worden, und auch noch durch dieselbe Familie. Das war bestimmt nicht nur für seinen Stolz ein Schlag gewesen. Allerdings musste die Heirat von Patricia Batley mit Lance Cadwell mehr als acht Jahre zurückliegen, denn Michael war sieben.
Sep Watson hatte gesagt, Mrs Batley und Mr Cadwell seien sich vor drei Jahren zum letzten Mal begegnet. Was war damals geschehen? Vor ihrem geistigen Auge erschien das Gesicht von Ralph Batley. Was auch immer den Streit zwischen beiden Familien erneut hatte aufflackern lassen, musste mit ihm zu tun haben, das spürte sie. Wieder musste sie an die rätselhaften Worte denken, die Mr Cadwell an Ralph Batley gerichtet hatte. Warum gehst du nicht nach Hause und spielst auf dem Speicher mit deinen Puppen? Und sie selbst hatte er als Püppchen bezeichnet. Was immer das bedeuten mochte, Ralph Batley hatte gekocht vor Wut.
Als sie in die Scheune kam, stellte sie fest, dass sie das Heu aus dem oberen Stock holen musste. Allein würde das nicht einfach werden, aber anders ging es nicht, denn sie hatte nicht die Absicht, Sep Watson um Hilfe zu bitten. Sie schob einen Karren an die Leiter, damit sie die Ballen von oben direkt darauf werfen konnte. Oben angekommen, blickte sie sich interessiert um. Sie stand in einem großen Raum, der noch weitläufiger wirkte als das Erdgeschoss, weil er nicht so hoch war. Offenbar wurde hier nicht nur Heu gelagert. Auf der einen Seite stapelten sich Schachteln und Kisten, die jedoch leer zu sein schienen. Sie ging zwischen Ballen und Kisten hindurch und stellte fest, dass die Ballen direkt an der hinteren Wand lehnten. Hinter den Kisten blieb jedoch ein schmaler Durchgang. Hier oben war es relativ dunkel, aber durch einen Spalt zwischen zwei verzogenen Brettern direkt unter dem Dach, fiel etwas Licht auf etwas, das wie eine Tür aussah. Ein merkwürdiger Ort für eine Tür, aber dann erinnerte sie sich an den Ziegelbau außen an der Scheune. Bestimmt war dies ein Zugang. Da sie noch keine Zeit gehabt hatte, sich das Gebäude von außen genauer anzusehen, drückte sie die Klinke, doch die Tür öffnete sich nicht. Vielleicht klemmte sie. Linda lehnte sich mit der Schulter dagegen, dann merkte sie, dass abgeschlossen war. Warum? Auch egal, vielleicht war die Tür an der Außenseite offen. Wenn sie ihren Karren mit Heu beladen hatte, würde sie es ausprobieren. Wahrscheinlich eine Art Lagerraum, dachte sie, als sie eine Stimme hinter sich hörte, die sie wie ein Schlag ins Gesicht traf.
»Neugierig?«
Sie legte beide Hände flach gegen die Tür, bevor sie sich umwandte. Zu ihrer Erleichterung stand Sep Watson hinter ihr, nicht Batley. So wenig sie auch für ihn übrig hatte, im Augenblick war er ihr geradezu willkommen.
»Sie haben mich aber erschreckt!« Ihr Lachen klang zittrig.
»Sieht ganz so aus.
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