Die Ernaehrungsfalle
Muttermilchersatz einschränkt. »Ein Kind, das aus der Flasche ernährt wurde, wird mit sechsmal höherer Wahrscheinlichkeit an Diarrhöe sterben als ein Kind, das gestillt wurde«, sagt Urban Jonsson, Unicef-Regionaldirektor für Ost- und Südafrika: »Nestlé weiß das und macht trotzdem Propaganda für seine Muttermilchersatzprodukte.«
Selbst wenn das Wasser einwandfrei ist, drohen ernste Folgeschäden für das Kind. Denn das Pulver fürs Babyfläschchen hat gegenüber der Muttermilch gravierende Nachteile. Fläschchennahrung macht dick: Mehrere Studien haben ergeben, dass Kinder, die das Fläschchen bekommen, eher zu Übergewicht neigen. Auch →Diabetes, sogar Leukämie und plötzlicher Kindstod treffen diese Kinder öfter. Asthma, Allergien, Atemwegsinfektionen - alles trifft die Kleinen, die das Pulver von Nestlé, Milupa oder Humana bekommen, häufiger. Eine US-Regierungsstudie aus dem Jahr 2007 hat 9000 Untersuchungen ausgewertet. Heraus kam, dass gestillte Kinder ein rundum gesünderes Leben haben. Nur klüger sind sie nicht: Es gab keinen Zusammenhang zwischen Brustfütterung und geistiger Leistungsfähigkeit. Eine Analyse aus Schottland und den USA bei 1588 Kindern zeigte, dass die Kinder, die mit Pulvermilch ernährt wurden, öfter zum Arzt müssen, verglichen mit jenen, die Muttermilch bekamen. Untersucht wurden die Gesundheitskosten für Erkrankungen der unteren Atemwege, von Mittelohr- und Magen-Darm-Entzündungen. Bei den Flaschenkindern waren, bezogen auf tausend Kinder, 2033 Arztbesuche mehr,
212 Tage Krankenhausaufenthalte mehr und 609 Verschreibungen mehr nötig als bei gestillten Kindern.
Die Muttermilch hat auch viele →Hormone im Gepäck. Jenes →Leptin etwa, das dem →Gehirn Meldung macht über die Nährstoff-Vorräte im Körper. Aber auch ein Hormon namens Adiponectin, das vor der Zuckerkrankheit Diabetes schützen kann. Das Fläschchen-Pulver auf der Basis von Kuhmilch enthält ebenfalls Hormone. Die sind der Gesundheit des Kindes indessen nicht so förderlich. Denn sie sind, logischerweise, fürs Kalb gedacht. Und so müssen sich die Kinder dieser Welt, kaum geboren, mit so etwas Unpassendem wie Rinder-Insulin herumschlagen. Das hat Folgen: Drei Monate alte Kinder, die Flaschenmilch auf Kuhmilchbasis bekommen, haben »signifikant höhere« Antikörperzellen gegen dieses Rinder-Insulin im Blut als ihre Altersgenossen, die Mutters Milch bekamen, so Mikael Knip vom Hospital für Kinder und Jugendliche an der Universität Helsinki. Er befürchtet, dass der frühe Kontakt mit solchen Kuh-Hormonen sich später in eine »autoaggressive Immunreaktion« verwandelt, sich gegen bestimmte körpereigene Zellen wendet und so beispielsweise Diabetes auslöst. »Das Immunsystem des kindlichen Körpers schlägt Alarm, ganz am Anfang des Lebens, und kann sich dann nicht mehr bremsen«, sagt Professor Wieland Kiess, der Chef der Leipziger Universitäts-Kinderklinik.
Wenn das Pulver aus →Soja hergestellt wird, sind Stoffe im Spiel, die wie weibliche →Geschlechtshormone wirken (→Östrogen). Schon im Jahr 2003 warnte die britische Lebensmittelsicherheitsbehörde Food Standards Agency (FSA) vor Soja-Säuglingsnahrung wegen der darin enthaltenen hormonartigen Pflanzenstoffe, den sogenannten Phytoöstrogenen. Mögliche Folgen seien erhöhte Menstruationsbeschwerden nach der Pubertät und sogar Abnormitäten bei männlichen Genitalien. Die Soja-Säuglingsnahrung steht auch im Verdacht, die männliche Fruchtbarkeit zu beeinträchtigen und das Immunsystem zu schwächen. Mehrere Untersuchungen gaben allerdings auch Entwarnung. Eine italienische Studie aus dem Jahre 2003 kam zu dem Schluss, dass
die frühe Soja-Dosis nicht schade. Auch die Hersteller sind der Auffassung, es gebe keine Risiken. Eine US-Regierungskonferenz vom März 2006 stützte diese Position: Die Fachleute kamen zu dem Schluss, dass die befürchteten Gefahren nicht zweifelsfrei nachgewiesen seien.
Wenn die zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen zu den Folgen industriell hergestellter Säuglingsnahrung prägnant dargestellt werden sollten, müsste auf den Packungen in den Drogeriemärkten ein →Warnhinweis wie auf Zigarettenpackungen prangen: »Achtung! Dieses Erzeugnis erhöht das Risiko für Allergien und Übergewicht bei Ihrem Kind. Es kann das Immunsystem schwächen und die Anfälligkeit für Krankheiten erhöhen. Es sollte nur in medizinisch begründeten Ausnahmefällen verabreicht werden.« Für Kinder, deren Mütter nicht
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