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Die Ernaehrungsfalle

Titel: Die Ernaehrungsfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Ulrich Grimm
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werden.

Hähnchen
    Hähnchen zählen zu den beliebtesten Speisetieren. In der Parallelwelt der modernen Industrienahrung wird ein wachsender Teil allerdings nicht in Naturform konsumiert, sondern als Formgeflügel, wie etwa Chicken McNuggets bei McDonald’s. Durch diesen Transformationsprozess wird das Tier jedoch sehr teuer, und es enthält zahlreiche Chemikalien.
    Das Huhn als Speisetier ist in westlichen Ländern ausschließlich männlich. Denn in der Welt der Hühner gibt es eine strenge Arbeitsteilung: Die weiblichen Hennen müssen → Eier legen, die männlichen Hähnchen müssen Muskeln zeigen, denn sie werden verspeist. Weil die Züchtung streng nach diesem Pflichtenschema vorgeht, müssen 60 Millionen Küken jährlich allein in Deutschland ihr Leben lassen, weil sie das falsche Geschlecht haben: Weibliche Küken müssen sterben, weil sie für die Mast in Hähnchenfabriken das falsche Geschlecht haben; umgekehrt werden die Männchen gemeuchelt, weil sie in den Eierfabriken nicht als Legehennen eingesetzt werden können.
    Geflügelproduktion ist → Massenproduktion : »Der Trend geht auch hier zur Vollautomatisierung«, meldet das Fachorgan Die Ernährungsindustrie . So werden beispielsweise die Broiler, wie im Fachjargon die Masthähnchen genannt werden, gleichsam fließbandmäßig entleibt.
Bis zu 8000 Broiler pro Stunde kann eine moderne Anlage verarbeiten, ganz rationell. In der »Töterabteilung«, so das Fachblatt, »werden der Kopf und die Luftröhre zusammen mit der Speiseröhre entfernt. Die Därme einschließlich Kropf und Lungen werden dann zusammen mit den Innereien aus dem Körper gezogen.« Der verbleibende Rest kommt je nach Bedarf in eine Zerteil- und Filetiermaschine. Die Reste am Knochen nagt ein spezielles »Fleischrückgewinnungsgerät« ab. Diese Fleischreste eignen sich immer noch, so das Fachblatt, »für die Herstellung verschiedener Imbisse und Wurstwaren«.
    Marktführer in der industriellen Hähnchenproduktion ist die norddeutsche Firma Wiesenhof. Es ist eine Handelsmarke des Wesjohann-Konzerns. Dabei handelt es sich um einen riesigen, in Fachkreisen sehr angesehenen internationalen Agro-Konzern, der im Jahr auf einen Umsatz von 250 Millionen Euro kommt. Der Konzern betreibt einen ganzen Verbund von Geflügelmastanstalten und Schlächtereien, in denen über 100 Millionen Masthähnchen pro Jahr erlegt werden. Und er ist nicht nur in Deutschland tätig: Jedes dritte Hähnchen, das weltweit verzehrt wird, stammt aus einem Wesjohann-Betrieb. »Wiesenhof« klingt schön, und es entspricht dem Wunsch der Verbraucher nach einer naturnahen und möglichst idyllischen Nahrungsproduktion. Die Bezeichnung hat aber mit Wiesen oder gar einem Hof in diesem Falle nur sehr indirekt etwas zu tun. Die Firma produziert in Massen: Von fast 500 000 Hähnchen, die beim Oktoberfest auf der Münchner Wiesn serviert werden, liefert Wiesenhof jedes zweite. Wichtig ist, dass die Hähnchen billig sind: Ein Hähnchen auf dem Oktoberfest beispielsweise kostet in der Herstellung lediglich 50 Cent, der Wiesnwirt kauft es für weniger als einen Euro, die hungrigen Festgäste für mehr als acht Euro. Ein Wiesn-Hähnchen wird etwa 35 Tage alt.
    Doch der Trend entfernt sich auch vom Huhn als erkennbarem Lebewesen. Ein wachsender Anteil des Fleisches wird erst nach einem Transformationsprozess verzehrt, an dessen Ende ein einheitlich gestalteter Markenartikel steht: etwa der McChicken und Chicken
McNuggets oder Geflügelwürstchen von Wiesenhof namens »Bruzzler«. Das Produkt erscheint dann billig, ist aber in Wahrheit sehr teuer geworden: So kosten sechs Chicken McNuggets 3,19 Euro, sie wiegen 96 Gramm, davon nach McDonald’s-Angaben 52 Prozent Hühnerfleisch, also 49,92 Gramm. Für ein Kilo McDonald’s Hühnerfleisch bezahlt der Kunde mithin über 60 Euro. Für dasselbe Geld gäbe es zwei bis drei luxuriöse Bresse-Hühner mit über drei Kilo Fleisch. Dafür erwirbt der Käufer hier auch kein reines Fleisch, sondern eine Fülle von Zutaten. So besteht der McChicken-Burger aus Hähnchenbrust 55 %, Panade (Weizenmehl, Maismehl, Reismehl), pflanzlichem Öl gehärtet, Maisstärke, Eialbumin, → Hefeextrakt , Backtriebmittel: E 450 (→ Diphosphate ), E 500 (→ Natriumcarbonate ), E 503 (→ Ammoniumcarbonate ), Salz, → Aromen , → Zucker , Pfeffer, Senfpulver, Molkenprotein, Paprikaextrakt, Kräutern, Verdickungsmittel: E 461 (→ Methylcellulose ), Gewürzextrakt, → Kaliumchlorid , Wasser, Salz,

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