Die Ernte
bewegte, fielen fingergroße Teile von ihr ab und auf den Boden. Sie hinterließen eine schleimige Spur auf dem Weg zu ihrem Mann hinterließen. Eine hängende, schlaffe Brust baumelte aus ihrer zerrissenen Bluse wie eine überreife Frucht. Netties Magen krampfte sich vor Ekel zusammen und sie fühlte den Drang, sich zu übergeben, aber ihr Magen gehorchte ihr nicht.
Nettie wusste nicht, was schlimmer war, die Augen oder der Mund des Dinges. Die Augen glühten dunkelgrün und doch durchsichtig, so als ob ein fauliges Feuer inmitten von einem wässrigen Schädel brannte. Aber der Mund – der Mund öffnete sich, gurgelnd und schal zugleich, und scharfe Tentakel züngelten wie Schlangen aus einer matschigen Höhle.
Dann sprach es: “Ahmmmm …fiiihl…Ahmfihl…kish…«
Aus dem Mund sprühten ekelige grünliche Tropfen und Nettie konnte jetzt Amanda riechen. Es war der Gestank nach Leichen, nach Friedhofsaas und fauligem Kompost, nach verfaulten Pfützen und gärigen Melonen. Nettie versuchte aufzustehen, aber ihre Glieder waren dicke, schlaffe Nudeln und sie konnte nichts anderes tun, als in hilfloser Faszination dem Schaupiel zuzuschauen.
»Kish...shu-shaaa...Ahmfiiihl«, sagte Amanda.
Der Priester wich zurück, seine Teufelsfratze war weiß geworden. Auf seiner hohen Stirne glitzerten Schweißperlen. Sein Unterkiefer fiel herab, als Amanda ihn erreichte. Mit seiner Hose um die Knöchel stolperte er und fiel gegen die Mauer.
Dann war das Ding, das einmal Amanda gewesen sein musste direkt über ihm und glitt auf seinen Körper mit einem nassen, schmatzenden Geräusch. Ihr flüssiges Fleisch bedeckte ihn fast gänzlich und ihr unmenschlicher Mund näherte sich seinem Gesicht. Nettie hörte seine erstickten Schreie, als er sich mit seiner Frau vereinte.
Dann erwachten Netties Muskeln plötzlich und sie konnte sich von ihrem Stuhl erheben. Sie rannte weg und rutschte fast auf der Schleimspur, die Amanda hinterlassen hatte, aus. Als sie die Tür der Sakristei erreichte, konnte sie die Stimme des Predigers in einer letzten Litanei hören.
»Es brennt...es brennt!«, jaulte er.
Amanda hatte ihren matschigen Kopf zur Decke gedreht und aus ihrem ausdruckslosen Mund tropfte morastiger Schleim. »Shu-shaaahhhh«, gurgelte sie in Richtung Himmel, bevor sie ihr Gesicht noch einmal auf das des Predigers fallen ließ.
Nettie rannte in die unbeleuchtete Kirche und stieß ihre Knie gegen die Orgel. Sie schickte ein Stoßgebet in den Himmel, dass der Herr ihr in der Dunkelheit leuchten möge, in der Dunkelheit, die auf der Erde herrschte, die auch in ihrem Verstand aufstieg und drohte, sie in den Schlund des Wahnsinns zu ziehen.
Denn die Hölle hatte ihre Dämonen ausgeschickt, die Apokalypse war gekommen und sie fragte sich, ob ihr Glaube sie retten würde. Zum ersten Mal seit ihrer spirituellen Rettung war sie sich nicht sicher, ob der Glaube an Gott allein genug sein würde.
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Robert drehte den Fernseher ab. Er konnte sich nicht auf das Basketballspiel konzentrieren. Er hatte die Kinder mit beschwichtigenden Ausreden zu Bett gebracht und hoffte, dass er es geschafft hatte, seine Sorgen vor ihnen zu verbergen. Er ging in die Küche und starrte auf das Telefon. Er flehte es stumm an, endlich zu läuten. Oder sollte er noch einmal die Polizei anrufen? Er schaute auf die Kuckucksuhr, die ein Hochzeitsgeschenk gewesen war. Ihre Zeiger waren genauso staubig wie ihre Ehe.
Fast Mitternacht. Er ballte seine Hände zu Fäusten und versuchte dem Drang, auf den Kühlschrank einzuschlagen, zu widerstehen. Er wollte den Schmerz in seinem Arm spüren und seine blutigen Knöchel von dem eingedrückten Metall nehmen, er wollte dieses idiotische Gerät dafür bestrafen, dass es so ruhig und stoisch dastand, während seine Frau abgängig war. Er wünschte, er könnte sich bestrafen, weil er sie von sich weggetrieben hatte, denn er wusste, dass es seine Schuld war.
Vielleicht hatte sie genug und wollte nicht noch einen seiner Wutausbrüche miterleben. Robert konnte es ihr nicht übel nehmen. Sein schlechtes Gewissen fraß ihn von innen auf. Er hätte für sie da sein sollen, er hätte mit ihr reden sollen, beichten sollen und ihr sein Herz öffnen und um Vergebung bitten sollen, Vergebung, die sie ihm sicher gewährt hätte.
Was, wenn das Undenkbare eingetreten ist? Dieser Traum, dem sie ihm zu erzählen versucht hatte. Aber er hatte nur mit halbem Ohr zugehört. Irgendetwas von einem Berg, der sie alle verschlingen
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