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Die Ernte

Die Ernte

Titel: Die Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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Viele andere.
    Trotzdem konnte sie nur schlecht die ganze Nacht hier ausharren. Es könnte Stunden dauern, bis irgendjemand auf dieser verlassenen Straße vorbeikommen würde. Vielleicht würde es bis morgen dauern. Die Bergbewohner gingen normalerweise sehr früh schlafen. Und wie konnte sie sich Hilfe erwarten, wenn sich der ganze Berg gegen sie verschworen hatte.
    Sie entschied sich, alles zu riskieren. Wenn sie einfach der Straße folgte, würde sie bald zu einem Haus kommen. Und wenn der Mond herauskommen würde, dann brauchte sie kein zusätzliches Licht, um den anderen zu entwischen, die so wie der Junge infiziert - beziehungsweise bekehrt - worden waren. Sie konnte mit Leichtigkeit ihre chaotischen Schwingungen aufnehmen, denn ihre Feinfühligkeit schien mit der größeren Nähe des Shu-shaaa gewachsen zu sein.
    Was auch immer den Verstand oder das Gewissen oder die Seele dessen, das sich Shu-shaaa nannte, ausmachte, es wurde immer stärker und fühlte sich in dieser Umgebung immer wohler.
    In seiner natürlichen Umgebung.
    Und sein Verständnis von Tamara spiegelte ihr eigenes Verständnis von ihm wieder.
    »Mah-raaa…«, sage der Junge. »Tah-mah-raaa…« . .”
    Oh Gott. Es spricht. Es kennt meinen NAMEN.
    Tamara drückte die Türschnalle und trat dann mit beiden Beinen die Tür auf und den Jungen zu Boden. Als er taumelte, sprang Tamara auf die Straße. Sie rannte in Richtung Osten, dorthin, von wo sie gekommen war. Sie warf nur einen Blick zurück auf den Jungen, der ihr langsam folgte, auf Beinstümpfen, denen die Füße fehlten.
    Sie hörte sein klagendes Rufen sowohl mit ihren Ohren als auch mit ihrem Verstand.
    »Shu-shaaa…mah-raaa…Auuuugeeen.«
    Aber in seiner Stimme, die direkt von der Macht kam, die auch ihre innere Stimme lenkte, in dem glücklichen Nebel des kosmischen Besitzers, konnte Tamara den menschlichen Teil noch fühlen, den Jungen, der sich wünschte, irgendwo high zu werden oder mit einem Cheerleader zu flirten oder im Kirchenchor zu singen. Dieser Teil wusste noch, was er einmal war und nicht mehr sein konnte. Dieser Teil brüllte noch, während die Urkraft seine friedlichen Ambitionen im Keim erstickte.
    Dann rannte sie die Straße bergab. Sie war keine Läuferin, aber sie hielt sich fit und sie merkte, dass sich das Training ausgezahlt hatte. Natürlich hatte sie sich nie gedacht, dass einmal ihr Leben davon abhängen könnte. Sogar jemand, der in die Zukunft schauen konnte, war nicht immer auf das Schlimmste vorbereitet.
    Ihr Verstand drehte sich um sich selbst, als sie die ersten hundert Meter im Laufschritt zurücklegte, während sich die Dunkelheit wie eine schwarze Decke vom Himmel senkte. Sie war bald aus der Gefahrenzone heraus, weg von der Kraft, die ihre Sinne betäubt hatte, weg vom wütenden Berg, der seinen Appetit auf die Welt herausgeschrien hatte.
    Sie versuchte zu verstehen, wie so etwas überhaupt die Welt heimsuchen konnte. Aber vielleicht war es ja schon immer da gewesen, irgendwo in den tausenden Himmeln, in dem doch nicht so unendlichen Universum.
    Und es wurde nicht nur größer, es verwandelte sich sogar und lernte. Es hatte sich an die Umgebung angepasst und entwickelte sich um zu überleben, passte sich an das unbekannte Biosystem an. Oder vielleicht adaptierte es sich an das System in einem gegenseitigen Austausch, einer Symbiose, in der Jäger und Gejagter ein- und derselbe waren.
    Denn es kannte ihren Namen…
    Sie war so in ihren Gedanken verloren, dass das Auto sie beinahe überfahren hätte, bevor sie es gesehen hatte. Die Scheinwerfer glitten über sie, als sie auf die andere Straßenseite sprang. Ihr Knöchel knickte zur Seite, als sie in den Straßengraben fiel. Das Auto kam auf dem Kies schlitternd zu stehen, während die Reifen nach Halt suchten. Eine Tür öffnete sich und beleuchtete den Innenraum des Fahrzeuges.
    »Alles okay?«, rief eine Stimme. Sie zählte die Köpfe von drei Männern. Sie wusste, dass das sogar hier in den Bergen ein Risiko war. Trotzdem hatte sie keine andere Wahl, wenn sie noch vor Sonnenaufgang nach Hause kommen wollte. Bevor die Stimmen ausschwärmen würden.
    »Ja, ja«, sagte sie und hinkte vorsichtig zu der geöffneten Autotür. »Hatte gerade eine Panne.«
    »Ja, ich habe das Auto gesehen«, sagte der alte Mann auf dem Fahrersitz. Er sprach mit dem ländlichen Akzent, der ihn als Dorfbewohner identifizierte. »Und…ah…den Jungen.«
    Im schwachen Licht des Autos konnte sie die Gesichter der Männer im

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