Die Ernte
Mercedes ausmachen. Der Mann auf dem Rücksitz, der zirka fünfzig Jahre alt sein durfte, war gut gekleidet und hatte freundliche blaue Augen. Der Fahrer trug einen teuren Anzug und hatte einen modischen Haarschnitt. Er schien ein wenig nervös zu sein. Sie schaute in den Rückspiegel, als seine Augen immer wieder zu dem alten Mann, der mit einem gegerbten Gesicht neben ihm saß, wanderten.
»Steigen Sie ein, junge Frau«, sage der Mann auf dem Rücksitz. »In einer Nacht wie dieser sollten Sie besser nicht alleine unterwegs sein.« Er rutschte auf den Sitz hinter dem Fahrer. »Ich bin Herbert DeWalt. Der Chauffeur heißt Kyle Emerland und das da ist Chester Mull.«
»Tamara«, sagte sie. »Tamara Leon. Danke fürs Mitnehmen.«
Tamara setzte sich in den freien Sitz und schaute zu den zwei Männern vorne, als der Mercedes langsam weiter fuhr. Sie kamen zu einer Lichtung, mit Grasland auf beiden Seiten der Straße. Der aufgehende Mond tauchte das Tal in weißes Licht, das die entfernten Bergrücken cremig und undeutlich erscheinen ließ. Sie entspannte sich ein bisschen. Dann sah sie, dass der alte Mann auf dem Beifahrersitz ein Gewehr hatte.
»Schrecken Sie sich nicht«, sagte DeWalt. »Niemand wird Ihnen etwas zuleide tun. Wir sind hier auf einer kleinen Geschäftsreise.«
Chester drehte sich um und lächelte sie an, wobei er seine wenigen Zähne zeigte, als wären sie kostbare Juwelen. Ein dunkles Stück Kautabak befand sich in einer Backe. Er roch so, als ob er gerade aus einem Whiskeyfass gekrochen wäre.
»Weder Mann noch Maus sollten um diese Zeit unterwegs sein. Auch keine Frau«, sage er, während er ihr mit Gefallen ins Gesicht blickte. »Aber wir freuen uns über Ihre Gesellschaft. Sie haben grüne Augen, aber dieses Grün mögen wir.«
»Sei ruhig Chester«, sagte DeWalt. »Wir brauchen sie nicht noch mehr zu erschrecken, als sie es ohnehin schon ist.«
Der Fahrer warf auch einen Blick auf das Gewehr. Chester schwenke den Gewehrlauf so, dass er auf Emerland zeigte. »Keine Gefahr, Emerland, solange du nicht in ein Loch in der Straße fährst und mein Finger deshalb den Abzug drückt«, drohte er ihm.
»Emerland«, sagte Tamara. »Sie sind doch der Architekt.«
Emerland strahlte, weil sie ihn erkannt hatte, obwohl sie in seinen Augen die nackte Angst lesen konnte.
»Das dürfen Sie nicht persönlich nehmen, aber ich habe gehört, dass Sie ein richtiges Arschloch sind«, fügte sie hinzu. DeWalt und Chester lachten. Emerland wurde in seinem Sitz augenblicklich ein Stück kleiner.
»Verdammt, passen Sie doch auf"«, schrie Chester plötzlich. Emerland verriss den Wagen und kam gerade noch an einer Figur vorbei, die wie aus dem Nichts auf der Straße aufgetaucht war. Tamara hörte einen dumpfen Aufprall am hinteren Teil des Wagens.
»Habe ich gerade jemanden angefahren?« Emerlands Augen wirkten im Rückspiegel weit aufgerissen.
»Das war nur so ein verdammter Zombie«, sagte Chester mit seinem Mund voll braunem Speichel. Er spuckte einfach auf die weinroten Fußteppiche des Mercedes. »Habe seine grün leuchtenden Augen gesehen. Die Arschlöcher sind schon überall unterwegs. Fahren Sie weiter, bevor er wieder aufsteht!«
Chester schwenkte wieder sein Gewehr, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Emerland trat auf das Gaspedal und der Kies stob unter seinen Reifen weg. Emerlands Handy läutete, Chester nahm es in die Hand, öffnete die Autotür und warf das Telefon aus dem Fahrzeug. »Möchte nicht, dass Sie mit Ihren Freunden sprechen, bevor wir hier fertig sind«, sagte Chester zu Emerland.
»Wir hatten Recht, Chester«, sagte DeWalt. »Ich weiß nicht, ob es eine Krankheit ist, aber es scheint sich rasend schnell auszubreiten. Das ist jetzt schon der vierte, oder?«
Tamara überraschte sie, als sie sagte: »Es gibt schon Dutzende von ihnen.«
DeWalt und Chester drehten sich zu ihr und Emerland wagte es, in den Rückspiegel zu blicken.
»Was auch immer es ist, es ist auf dem Berg«, sagte sie. »Das Ding, das alles verursacht hat.«
»Hey, das Gleiche haben wir gedacht«, sagte Chester.
»Ich kenne mich mit diesen Dingen aus«, fuhr sie vorsichtig fort. »Sie sind in meinem Kopf. . . Ich sehe Dinge.«
Sie wusste, dass sie sich verrückt anhörte, aber die ganze Welt war verrückt, so als ob Gott das Universum auf den Kopf gestellt und die Naturgesetze umgedreht hätte. Und was sie jetzt brauchte, waren Verbündete. Sie musste ihren Wahnsinn mit anderen teilen. Robert war weit weg,
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