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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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zur Gewohnheit geworden; die Faujas kamen zu jeder Mahlzeit herunter, setzten sich an den Tisch, blieben bis zum Kaffee. In den ersten Tagen blieben die zwei Kuchen verschieden; dann fand Rose das »zu dumm« und sagte, sie könne gut und gerne für vier Personen kochen und sie wurde sich mit Frau Faujas verständigen.
    »Sie brauchen mir nicht zu danken«, fügte sie hinzu. »Es ist sehr nett von Ihnen, herunterzukommen, um Frau Mouret Gesellschaft zu leisten; Sie bringen ein bißchen Fröhlichkeit mit … Ich traute mich schon nicht mehr ins Wohnzimmer; mir war, als ginge ich zu einem Toten hinein. Es war so öde, daß man Angst kriegen konnte … Wenn Herr Mouret jetzt mault, da ist ihm eben nicht zu helfen! Er wird ganz allein maulen.«
    Der Ofen bullerte. Das Zimmer war schön warm. Es wurde ein reizender Winter. Nie hatte Rose den Tisch mit so sauberem Leinen gedeckt; sie stellte den Stuhl des Herrn Pfarrer an den Ofen, so daß er den Rücken am Feuer hatte. Besondere Sorge ließ sie seinem Glas, seinem Messer, seiner Gabel angedeihen; sobald das Tischtuch den geringsten Fleck hatte, wachte sie darüber, daß der Fleck nicht auf seiner Seite war. Dazu kamen tausend zarte Aufmerksamkeiten.
    Wenn sie ihm ein Gericht zubereitete, das er gern aß, sagte sie ihm Bescheid, damit er seinen Appetit aufhebe. Manchmal hingegen machte sie ihm eine Überraschung; sie brachte die Schüssel zugedeckt herein, lachte heimlich unter den fragenden Blicken, sagte mit einer Miene verhaltenen Triumphes:
    »Das ist für den Herrn Pfarrer, eine mit Oliven gefüllte Trauerente, wie er sie gerne mag … Madame, Sie geben dem Herrn Pfarrer ein Bruststück, nicht wahr? Das Gericht ist für ihn.«
    Marthe legte auf. Mit flehenden Augen bestand sie darauf, daß er die besten Stücke annahm. Sie begann stets bei ihm, suchte auf der Platte herum, während Rose, die sich über sie neigte, ihr mit dem Finger zeigte, was sie für das Beste hielt. Und sie hatten sogar kurze Streitigkeiten über die Vortrefflichkeit dieser oder jener Teile eines Huhns oder eines Kaninchens. Rose schob dem Priester ein Kissen mit Kanevasstickerei unter die Füße. Marthe verlangte, daß er seine Flasche Bordeaux und sein Brot bekäme, ein kleines goldgelbes Brot, das sie jeden Tag beim Bäcker bestellte.
    »Ach was! Nichts ist zu gut«, sagte Rose mehrmals, wenn der Abbé ihnen dankte. »Wer sollte denn gut leben, wenn rechtschaffene Menschen wie Sie nicht Ihre Annehmlichkeiten hätten? Lassen Sie uns ruhig machen, der liebe Gott wird Ihre Schuld begleichen.«
    Frau Faujas, die am Tisch ihrem Sohn gegenübersaß, lächelte zu all diesen Zuvorkommenheiten. Sie begann Marthe und Rose liebzugewinnen; im übrigen fand sie ihre Verehrung selbstverständlich, erachtete sie als sehr glücklich, so vor ihrem Gott auf den Knien liegen zu können. Sie aß langsam und viel wie eine Bäuerin, die harte Arbeit leisten kann, und in Wirklichkeit führte sie mit ihrem Quadratschädel den Vorsitz bei den Mahlzeiten, sah alles, ohne sich einen Gabelbissen entgehen zu lassen, achtete darauf, daß Marthe in ihrer Dienerinnenrolle blieb, schaute ihren Sohn unverwandt mit einem Ausdruck befriedigten Sinnengenusses zärtlich an. Sie sprach nur, um in drei Worten zu sagen, was dem Abbé schmeckte, oder die höflichen Ablehnungen, die er noch wagte, kurz abzubrechen. Zuweilen zuckte sie die Achseln, stieß ihn mit dem Fuß an. Gehörte der Tisch nicht ihm? Er könnte gern das ganze Gericht aufessen, wenn ihm das Freude machte; die anderen würden sich zufriedengeben, in ihr trockenes Brot zu beißen und ihm zuzusehen.
    Was Abbé Faujas anbelangt, so blieb er gleichgültig gegenüber der zärtlichen Fürsorge, deren Gegenstand er war; da er sehr genügsam war und schnell aß, während sein Geist anderswo beschäftigt war, bemerkte er die kleinen Verwöhnungen oft nicht, die ihm vorbehalten blieben. Er hatte den inständigen Bitten seiner Mutter nachgegeben, als er die Gesellschaft der Mourets annahm; er genoß im Wohnzimmer im Erdgeschoß nur die Freude, der Sorgen um das materielle Leben völlig enthoben zu sein. Daher bewahrte er, nachdem er sich allmählich daran gewöhnt hatte, daß seine kleinsten Wünsche erraten wurden, eine stolze Gelassenheit, wunderte sich nicht mehr, dankte nicht mehr, thronte geringschätzig zwischen der Hausherrin und der Köchin, die ängstlich nach den geringsten Falten in seinem ernsten Gesicht spähten.
    Und Mouret, der seiner Frau gegenübersaß, blieb

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