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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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erzählte Marthe ihren Kummer schließlich Frau Faujas; ihr Mann habe ihr wegen ihrer Tochter, die er Hals über Kopf zu ihrer Amme gebracht habe, eben eine gräßliche Szene gemacht. Und sie verteidigte sich; sie versicherte, sie liebe das Kind sehr, sie werde es eines Tages wiederholen.
    »Sie war ein bißchen laut«, gab Frau Faujas zu verstehen. »Ich habe Sie sehr oft bedauert … Mein Sohn hätte noch darauf verzichtet, sein Brevier im Garten zu lesen; sie schrie ihm die Ohren voll.«
    Von diesem Tag an waren Marthes und Mourets Mahlzeiten schweigsam. Der Herbst war sehr feucht; das Wohnzimmer mit den beiden einzelnen, durch die ganze Länge des Tisches voneinander getrennten Gedecken blieb schwermütig. Dunkel erfüllte die Ecken, Kälte sank von der Decke herab. Man hätte meinen können, man sei bei einer Beerdigung, wie Rose sich ausdrückte.
    »Na schön!« sagte sie oft, wenn sie auftrug, »man braucht nicht soviel Lärm zu machen … Bei diesem Tempo besteht keine Gefahr, daß Sie sich den Mund fusselig reden … Seien Sie doch fröhlicher, Herr Mouret; Sie sehen aus, als gingen Sie in einem Leichenzug. Sie werden Ihre Frau am Ende ins Krankenbett bringen. Essen ohne sprechen, das ist nicht gut für die Gesundheit.«
    Als die ersten Fröste kamen, bot Rose, die Frau Faujas gefällig zu sein suchte, ihr ihren Herd zum Kochen an. Es begann mit Kesseln voll Wasser, die die alte Dame zum Heißmachen herunterbrachte; sie habe kein Feuer, und der Abbé sei in Eile, sich zu rasieren. Darauf lieh sie sich das Bügeleisen, benutzte einige Kasserollen, bat um den Röstapparat, um eine Hammelkeule an den Spieß zu stecken; da sie oben keinen geeigneten Kamin hatte, nahm sie schließlich Roses Angebot an, die ein Rebholzfeuer entfachte, als solle ein ganzer Hammel gebraten werden.
    »Tun Sie sich doch keinen Zwang an«, sagte sie immer wieder und drehte selber die Hammelkeule. »Die Küche ist groß, nicht wahr? Es ist gut Platz für zwei … Ich verstehe nicht, wieso Sie bis jetzt Wert darauf haben legen können, auf der Erde vor dem Kamin Ihres Zimmers auf einem elenden Blechofen zu kochen. Ich hätte Angst vor einem Blutsturz gehabt … Herr Mouret macht sich ja lächerlich; man vermietet eine Wohnung nicht ohne Küche. Sie müssen schon biedere Leute sein und gar nicht stolz, mit denen man bequem umgehen kann.«
    Nach und nach bereitete Frau Faujas ihr Mittag und Abendessen in Mourets Küche zu. In der ersten Zeit lieferte sie ihre Kohlen, ihr Öl, ihre Gewürze. Wenn sie in der Folge irgendeine Zutat vergaß, wollte die Köchin nicht, daß sie wieder in ihre Wohnung hinaufginge; sie zwang sie, was ihr fehlte, aus dem Schrank zu nehmen.
    »Nehmen Sie, dort ist die Butter. Was Sie auf die Messerspitze nehmen, wird uns nicht zugrunde richten. Sie wissen wohl, daß hier alles zu Ihrer Verfügung steht … Frau Mouret würde mich ausschelten, wenn Sie es sich nicht bequem machten.«
    Zwischen Rose und Frau Faujas kam jetzt eine große Vertraulichkeit auf; die Köchin war entzückt, immer jemanden da zu haben, der ihr bereitwillig zuhörte, während sie ihre Saucen anrührte. Sie verstand sich übrigens vortrefflich mit der Mutter des Priesters, deren Kleider aus Indienne, deren derbe Larve, deren pöbelhafte Roheit beide fast auf gleichen Fuß stellten. Stundenlang verweilten sie gemeinsam vor ihren verloschenen Herden. Frau Faujas übte in der Küche bald eine unumschränkte Herrschaft aus; sie wahrte ihre undurchdringliche Haltung, sagte nur, was sie ausdrücklich sagen wollte, ließ sich erzählen, was sie zu erfahren begehrte. Sie entschied, was die Mourets zu Abend aßen, kostete vor ihnen von den Gerichten, die sie ihnen hineinschickte; oft bereitete Rose nebenbei sogar Leckereien, die eigens für den Abbé bestimmt waren, gezuckerte Apfel, Reiskuchen, Krapfen. Die Vorrate vermischten sich, die Kasserollen gerieten in ein heilloses Durcheinander, die beiden Abendessen vermengten sich so sehr, daß die Köchin im Augenblick des Auftragens lachend rief:
    »Sagen Sie, Madame, gehören die Spiegeleier Ihnen? Ich weiß nicht mehr! – Auf mein Wort! Es wäre besser, man wurde zusammen essen.«
    Zu Allerheiligen aß Abbé Faujas zum erstenmal in Mourets Wohnzimmer zu Mittag. Er war sehr in Eile, er mußte nach SaintSaturnin zurück. Damit er weniger Zeit verlöre, ließ Marthe ihn am Tisch Platz nehmen und sagte ihm, daß seine Mutter dann nicht ins zweite Stockwerk hinaufzugehen brauche. Eine Woche später war es

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