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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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dummes Ding! Ist es denn möglich, daß ich einen solchen Dummkopf zur Welt gebracht habe! Das sage ich dir, du kommst mir teuer zu stehen.«
    »Das stimmt«, fügte Rose hinzu, die aus der Küche herbeigeeilt war, »sie ist eine große Last, und es besteht keine Gefahr, daß man sie je verheiraten könnte.«
    Ins Herz getroffen, hörte Mouret ihnen zu, schaute sie an. Er erwiderte nichts, er blieb mit dem jungen Mädchen hinten im Garten. Bis zum Einbruch der Nacht schienen sie freundlich miteinander zu plaudern. Am nächsten Tag waren Marthe und Rose den ganzen Vormittag über abwesend; sie hörten die Messe in einer Kapelle, die eine Meile von Plassans entfernt und dem heiligen Januarius geweiht war und zu der an diesem Tag alle Betschwestern der Stadt pilgerten. Als sie heimkehrten, trug die Köchin schleunigst ein kaltes Mittagessen auf. Marthe aß seit einigen Minuten, als sie gewahr wurde, daß ihre Tochter nicht am Tisch war.
    »Hat denn Désirée keinen Hunger?« fragte sie. »Warum ißt sie nicht mit uns zu Mittag?«
    »Désirée ist nicht mehr hier«, sagte Mouret, der seine Bissen auf dem Teller ließ. »Ich habe sie heute früh zu ihrer Amme nach SaintEutrope gebracht.«
    Ein wenig blaß, überrascht und gekränkt legte Marthe ihre Gabel hin.
    »Du hättest mich doch fragen können«, erwiderte sie.
    Ohne jedoch unmittelbar zu antworten, fuhr er fort:
    »Sie ist bei ihrer Amme gut aufgehoben. Diese wackere Frau, die sie sehr gern hat, wird auf sie aufpassen … Auf diese Weise wird das Kind dich nicht mehr quälen, jedermann wird zufrieden sein.« Und da sie stumm blieb, setzte er hinzu: »Wenn dir das Haus nicht ruhig genug erscheint, mußt du es mir sagen, und ich werde auch gehen.«
    Sie erhob sich halb, in ihre Augen glitt ein Schimmer. Er hatte sie eben so grausam getroffen, daß sie die Hand ausstreckte, als wolle sie ihm die Flasche an den Kopf werfen. In dieser so lange fügsamen Natur fauchte ungekanntes Zorneswehen; ein Haß wuchs heran gegen diesen Mann, der wie ihr leibhaftiges schlechtes Gewissen ohne Unterlaß um sie herumstrich. Sie begann wieder zu essen, ohne weiter von ihrer Tochter zu sprechen. Mouret hatte seine Serviette zusammengefaltet; er blieb vor ihr sitzen, hörte auf das Geklapper ihrer Gabel, sah sich langsam in diesem Wohnzimmer um, das einst so fröhlich war vom Lärm der Kinder und heute so leer und so traurig war. Der Raum kam ihm eisig vor. Als Marthe wegen des Nachtischs nach Rose rief, stiegen ihm Tränen in die Augen.
    »Sie haben guten Appetit, nicht wahr, Madame?« sagte Rose, einen Teller Obst bringend. »Das kommt daher, weil wir hübsch gelaufen sind! – Wäre Herr Mouret, statt sich als Heide aufzuspielen, mit uns gekommen, hätte er Sie den Rest der Hammelkeule nicht allein aufessen lassen.« Immerzu schwatzend, wechselte sie die Teller. »Sie ist sehr hübsch, die Kapelle des heiligen Januarius, aber zu klein … Sie haben die Damen gesehen, die zu spät gekommen sind; sie haben sich draußen in der prallen Sonne auf dem Gras niederknien müssen … Was ich nicht verstehe, ist, daß Madame de Condamin im Wagen gekommen ist. Dann ist es ja kein Verdienst mehr, eine Wallfahrt zu unternehmen … Wir haben trotzdem einen schönen Vormittag verbracht, nicht wahr, Madame?«
    »Ja, einen schönen Vormittag«, wiederholte Marthe. »Abbé Mousseau ist bei der Predigt ergreifend gewesen.«
    Als Rose nun die Abwesenheit Désirées bemerkte und von der Abreise des Kindes erfuhr, rief sie:
    »Weiß Gott! Herr Mouret hat einen guten Einfall gehabt! – Sie nahm mir alle meine Töpfe weg, um ihren Salat zu begießen … Man wird ein bißchen aufatmen können.«
    »Allerdings«, sagte Marthe, die eine Birne anschnitt.
    Mouret erstickte. Er verließ das Wohnzimmer, ohne auf Rose zu hören, die ihm nachrief, der Kaffee sei gleich fertig.
    Marthe, die allein im Wohnzimmer geblieben war, aß seelenruhig ihre Birne auf.
    Als die Köchin den Kaffee brachte, kam Frau Faujas herunter.
    »Treten Sie doch ein«, sagte Rose zu ihr. »Sie können Madame Gesellschaft leisten und die Tasse von Herrn Mouret nehmen; der ist wie ein Irrer davongelaufen.«
    Die alte Dame setzte sich auf Mourets Platz.
    »Ich glaubte, Sie tränken nie Kaffee«, bemerkte sie, während sie sich Zucker nahm.
    »Ja, früher«, antwortete Rose, »als Herr Mouret die Kasse führte … Jetzt wäre Madame ja schön dumm, wenn sie sich das versagte, was sie gern mag.«
    Sie plauderten eine gute Stunde. Gerührt

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