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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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grausames Ringen schien auf dem Fußboden inmitten der umgerissenen Möbel zu beginnen. Dumpfe Schläge erschütterten die Wände; ein Röcheln drang unter der Tür hindurch, ein so furchtbares Röcheln, daß die Faujas und die Trouches einander erbleichend ansahen.
    »Das ist ihr Mann, der schlägt sie tot«, murmelte Olympe.
    »Sie haben recht, es ist dieser Wilde!« sagte die Köchin. »Beim Hinaufgehen habe ich ihn gesehen, wie er so tat, als ob er schläft; er bereitete seinen Streich vor.« Und von neuem mit beiden Fäusten gegen die Tür schlagend, daß sie schier zerbrach, begann sie wieder: »Machen Sie auf, Herr Mouret. Wir lassen die Polizei kommen, wenn Sie nicht aufmachen … Oh! Der Halunke, er wird noch auf dem Schafott enden!«
    Da setzte das Gebrüll wieder ein. Trouche behauptete, der Kerl müsse die arme Frau wie ein Huhn abschlachten.
    »Man kann sich doch nicht mit Klopfen begnügen«, sagte Abbé Faujas und trat vor. »Warten Sie.«
    Er stemmte eine seiner kräftigen Schultern gegen die Tür, die er mit einer langsamen und unausgesetzten Anstrengung eindrückte. Die Frauen stürzten sich in das Zimmer, in dem sich das seltsamste Schauspiel ihren Augen darbot.
    Mitten im Zimmer lag Marthe auf den Fliesen und keuchte, ihr Hemd war zerrissen, ihre Haut blutig von Schrammen und blau von Schlägen. Ihre aufgelösten Haare hatten sich um ein Stuhlbein gewickelt; ihre Hände mußten sich mit einer solchen Kraft an die Kommode geklammert haben, daß das Möbelstück quer vor die Tür gerutscht war. In einer Ecke stand Mouret, hielt den Leuchter in der Hand und sah mit stumpfsinniger Miene zu, wie sie sich am Boden wand.
    Abbé Faujas mußte die Kommode zurückschieben.
    »Sie sind ein Ungeheuer!« rief Rose und zeigte Mouret die Faust. »Eine Frau so zuzurichten. Es hätte ihr den Rest gegeben, wenn wir nicht rechtzeitig gekommen wären.«
    Frau Faujas und Olympe bemühten sich um Marthe.
    »Arme Freundin«, murmelte Frau Faujas. »Sie ahnte heute abend schon etwas, sie war ganz verschreckt.«
    »Wo tut es Ihnen weh?« fragte Olympe. »Sie haben sich doch nichts gebrochen, nicht wahr? – Da, eine Schulter ist ganz schwarz; am Knie ist eine große Schramme … Beruhigen Sie sich. Wir sind bei Ihnen, wir werden Sie verteidigen.«
    Marthe wimmerte nur noch wie ein Kind. Während die beiden Frauen sie untersuchten und dabei vergaßen, daß Männer anwesend waren, reckte Trouche den Kopf vor und warf heimliche Blicke auf den Abbé, der ohne Umstände die Möbel wieder an Ort und Stelle rückte. Rose half, Marthe wieder zu Bett zu bringen. Als sie mit eingeschlungenen Haaren im Bett lag, blieben sie alle noch einen Augenblick da, musterten neugierig das Zimmer und hofften, Einzelheiten zu erfahren.
    Ohne den Leuchter loszulassen, war Mouret in derselben Ecke stehengeblieben, gleichsam versteinert durch das, was er gesehen hatte.
    »Ich versichere Ihnen«, stammelte er, »ich habe ihr nichts zuleide getan, ich habe sie nicht einmal mit der Fingerspitze berührt!«
    »Ach was! Seit einem Monat lauern Sie auf eine Gelegenheit«, schrie Rose aufgebracht. »Wir wissen es wohl, wir haben Sie zur Genüge überwacht. Die liebe Frau war auf Ihre Mißhandlungen gefaßt. Da haben Sie˜s, lügen Sie nicht, das bringt mich hoch!«
    Wenn sich die beiden anderen Frauen auch nicht für berechtigt hielten, derart mit ihm zu sprechen, warfen sie ihm doch drohende Blicke zu.
    »Ich versichere Ihnen«, wiederholte Mouret mit sanfter Stimme, »ich habe sie nicht geschlagen. Ich hatte mich gerade hingelegt, hatte mein Halstuch umgetan. Als ich die Kerze berührt habe, die auf der Kommode stand, ist sie aus dem Schlaf hochgefahren; sie hat die Arme ausgebreitet und einen Schrei ausgestoßen, sie hat angefangen, sich mit den Fäusten gegen die Stirn zu schlagen, sich mit den Fingernägeln den Leib zu zerreißen.«
    Die Köchin schüttelte mit schrecklicher Miene den Kopf.
    »Warum haben Sie nicht aufgemacht?« fragte sie. »Wir haben doch laut genug angeklopft.«
    »Ich versichere Ihnen, ich bin nicht daran schuld«, sagte er wiederum mit noch mehr Sanftmut. »Ich wußte nicht, was sie hatte. Sie hat sich zu Boden geworfen, sie hat sich gebissen, sie ist herumgesprungen, daß schier die Möbel barsten. Ich habe mich nicht vorbeigetraut; ich war dumm. Ich habe Ihnen zweimal zugerufen, Sie sollten hereinkommen. Aber Sie haben mich wohl nicht gehört, weil sie zu laut schrie. Ich habe große Angst ausgestanden. Ich bin nicht daran

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