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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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sie ist sehr gut zu uns.«
    »Sie macht sich tot«, murmelte der Priester.
    Da zuckte Frau Faujas mit den Achseln, wie es ihre Gewohnheit war.
    »Das ist ihre Sache. Jeder verschafft sich sein Vergnügen, wo er es findet. Es ist besser, sich mit Beten totzumachen als sich wie dieses Luder, die Olympe, den Magen zu verderben … Sei weniger streng zu Madame Mouret. Das wurde das Haus schließlich unerträglich machen.«
    Als sie ihm eines Tages diese Ratschläge gab, sagte er mit düsterer Stimme:
    »Mutter, diese Frau wird das Hindernis sein.«
    »Sie!« rief die alte Bäuerin aus. »Aber sie betet dich an, Ovide! – Wenn du sie nicht mehr ausschiltst, kannst du mit ihr alles machen, was du willst. Bei Regen würde sie dich von hier zur Kathedrale tragen, damit du dir nicht die Füße naß machst.«
    Abbé Faujas begriff selber die Notwendigkeit, nicht länger Härte anzuwenden. Er fürchtete einen Skandal. Nach und nach ließ er Marthe größere Freiheit, gestattete ihr die Exerzitien, die langen Rosenkränze, die vor jeder Kreuzwegstation wiederholten Gebete; er gestattete ihr sogar zweimal wöchentlich zu seinem Beichtstuhl in SaintSaturnin zu kommen. Als Marthe nicht mehr jene furchtbare Stimme hörte, die ihr ihre Frömmigkeit wie ein schändlich befriedigtes Laster zum Vorwurf machte, glaubte sie, Gott habe ihr Gnade erwiesen. Endlich ging sie ein in die Wonnen des Paradieses. Anfalle von Rührung überkamen sie, unversiegbare Tränen, die sie weinte, ohne zu spüren, wie sie flossen, Nervenkrisen, aus denen sie geschwächt, ohnmächtig hervorging, als sei ihr ganzes Leben an ihren Wangen entlang davongeronnen. Rose trug sie dann auf ihr Bett, wo sie stundenlang mit dünnen Lippen und den halbgeöffneten Augen einer Toten liegenblieb.
    Eines Nachmittags glaubte die Köchin, die durch Marthes Reglosigkeit erschreckt war, sie gäbe ihren Geist auf. Es kam ihr nicht in den Sinn, an die Tür des Zimmers zu klopfen, in dem sich Mouret eingeschlossen hatte; sie ging in den zweiten Stock hoch, flehte Abbé Faujas an, zu ihrer Herrin herunterzukommen. Als er dort im Schlafzimmer war, eilte sie fort, um Äther zu holen, und ließ ihn allein angesichts dieser ohnmächtigen, quer über das Bett geworfenen Frau. Er begnügte sich damit, Marthes Hände in die seinen zu nehmen. Da bewegte sie sich, redete immer wieder zusammenhanglose Worte. Als sie ihn, der auf der Schwelle des Alkovens stand, dann erkannte, stieg ihr eine Woge Blut ins Gesicht; sie legte ihren Kopf wieder auf das Kissen, machte eine Handbewegung, als wolle sie die Decken an sich ziehen.
    »Geht es Ihnen besser, mein liebes Kind?« fragte er sie. »Sie machen mir große Sorge.«
    Da ihr die Kehle zugeschnürt war und sie nicht antworten konnte, brach sie in Schluchzen aus, ließ ihren Kopf zwischen den Armen des Priesters hin und her rollen.
    »Ich leide nicht, ich bin zu glücklich«, flüsterte sie mit einer Stimme, die schwach wie ein Hauch war. »Lassen Sie mich weinen, die Tränen sind meine Freude. Ah! Wie gut von Ihnen, daß Sie gekommen sind! Seit langem wartete ich auf Sie, rief ich Sie!« Ihre Stimme wurde immer schwächer, war nur noch das Gemurmel eines glühenden Gebets. »Wer wird mir Flügel verleihen, um zu dir zu fliegen? Fern von dir, ungeduldig, von dir erfüllt zu werden, siecht meine Seele dahin ohne dich, wünscht dich glühend herbei und seufzt nach dir, o mein Gott, mein einziges Gut, mein Trost, meine Wonne, mein Schatz, mein Glück und mein Leben, mein Gott und mein alles …« Sie lächelte, während sie in verzücktem Begehren diese Satzfetzen stammelte. Sie faltete die Hände, schien den ernsten Kopf Abbé Faujas˜ in einem Heiligenschein zu sehen.
    Diesem war es noch immer gelungen, ein Geständnis auf Marthes Lippen zurückzuhalten; einen Augenblick bekam er Angst, machte lebhaft seine Arme frei. Und sich aufrecht haltend, sagte er gebieterisch:
    »Seien Sie vernünftig, ich will es. Gott wird Ihre Huldigungen zurückweisen, wenn Sie sie ihm nicht in der Gelassenheit Ihrer Vernunft darbringen … Im Augenblick handelt es sich darum, daß Sie sich pflegen.«
    Rose kam zurück, verzweifelt, daß sie keinen Äther gefunden hatte.
    Er hieß sie, sich ans Bett zu setzen, sagte zu Marthe mehrmals mit sanfter Stimme:
    »Quälen Sie sich nicht. Gott wird von Ihrer Liebe gerührt sein. Wenn die Stunde kommt, wird er in Sie herabsteigen, Sie mit ewiger Glückseligkeit erfüllen.«
    Als er aus dem Zimmer ging, ließ er Marthe strahlend,

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