Die Eroberung von Plassans - 4
gleichsam auferstanden zurück. Von diesem Tag an handhabte er sie wie weiches Wachs. Für gewisse heikle Aufträge bei Frau de Condamin wurde sie ihm sehr nützlich; ebenso diensteifrig besuchte sie auf ein einfaches Verlangen hin, das er zum Ausdruck brachte, Frau Rastoil. Sie hatte einen unbedingten Gehorsam, suchte nicht zu verstehen, sagte weiter, was er sie weiterzusagen bat. Er traf bei ihr sogar keinerlei Vorsichtsmaßregeln mehr, wies sie derb zurecht, bediente sich ihrer, als sei sie nichts weiter als eine Maschine. Hätte er ihr den Auftrag dazu gegeben, würde sie auf der Straße gebettelt haben. Und wenn sie unruhig wurde, gebrochenen Herzens und mit von Leidenschaft geschwellten Lippen die Hände zu ihm ausstreckte, warf er sie mit einem Wort zu Boden, zerschmetterte er sie unter dem Willen des Himmels. Nie wagte sie zu sprechen. Zwischen ihr und diesem Mann war eine Mauer von Zorn und Ekel. Wenn er aus den kurzen Kämpfen, die er mit ihr zu bestehen hatte, hervorkam, zuckte er voller Verachtung die Achseln wie ein Ringkämpfer, der durch ein Kind aufgehalten wird. Er wusch sich, bürstete sich, als habe er unwillkürlich ein unreines Tier berührt.
»Warum gebrauchst du das Dutzend Taschentücher nicht, das Madame Mouret dir geschenkt hat?« fragte ihn seine Mutter. »Die arme Frau wäre so glücklich, wenn sie sie in deinen Händen sehen würde. Sie hat einen Monat damit zugebracht, dein Monogramm hineinzusticken!«
Mit einer barschen Handbewegung erwiderte er:
»Nein, gebraucht Ihr sie, Mutter. Es sind Taschentücher eines Weibes. Sie haben einen Geruch, der mir unerträglich ist.«
Wenn sich Marthe vor dem Priester beugte, wenn sie nur noch seine Sache war, wurde sie täglich reizbarer, wurde sie in den tausend kleinen Sorgen des Lebens streitsüchtig. Rose sagte, sie habe sie nie »so zänkisch« gesehen. Aber ihr Haß wuchs vor allem gegen ihren Mann. Der alte Gärstoff des Grolls der Rougons erwachte gegenüber diesem Sohn einer Macquart, gegenüber diesem Mann, den sie beschuldigte, die Marter ihres Lebens zu sein. Unten im Wohnzimmer tat sie sich, wenn Frau Faujas oder Olympe ihr Gesellschaft leisteten, keinen Zwang mehr an, zog sie über Mouret her.
»Wenn man bedenkt, daß er mich zwanzig Jahre lang wie einen Angestellten mit der Feder hinter dem Ohr zwischen einem Faß Öl und einem Sack Mandeln festgehalten hat. Nie ein Vergnügen, nie ein Geschenk … Er hat mir meine Kinder weggenommen. Er ist imstande, eines schönen Tages auf und davon zu gehen, um den Anschein zu erwecken, ich mache ihm das Leben unmöglich. Glücklicherweise sind Sie da. Sie würden überall die Wahrheit sagen.«
In dieser Weise fiel sie ohne jede Herausforderung über Mouret her. Alles, was er tat, seine Blicke, seine Gebärden, die spärlichen Worte, die er aussprach, brachten sie außer sich. Sie konnte ihn nicht einmal mehr sehen, ohne von einer unbewußten Wut in Harnisch gebracht zu werden. Die Streitereien brachen vor allem am Ende der Mahlzeiten aus, wenn Mouret, ohne den Nachtisch abzuwarten, seine Serviette zusammenfaltete und sich schweigend erhob.
»Sie könnten wohl zur gleichen Zeit wie alle vom Tisch aufstehen«, sagte sie schneidend zu ihm. »Es ist nicht gerade höflich, was Sie da machen!«
»Ich bin fertig, ich gehe«, erwiderte er mit seiner langsamen Stimme.
Aber sie erblickte in diesem täglichen Rückzug eine von ihrem Mann ersonnene Taktik, Abbé Faujas zu verletzen. Da verlor sie jedes Maß.
»Sie sind ein schlechterzogener Mensch. Sie machen mir Schande, so! – Ach! Mit Ihnen wäre ich glücklich dran, wenn ich nicht Freunde getroffen hätte, die mich gern über Ihre Roheiten trösten wollen. Sie verstehen sich nicht einmal bei Tisch zu benehmen. Sie hindern mich, eine einzige friedliche Mahlzeit einzunehmen … Bleiben Sie, hören Sie! Schauen Sie uns an, wenn Sie nicht essen.«
Er faltete in aller Ruhe seine Serviette fertig zusammen, als habe er nicht gehört; dann ging er in kleinen Schritten davon. Man hörte, wie er die Treppe hinaufstieg und zweimal den Schlüssel herumdrehte.
Da bekam sie keine Luft mehr, sie stammelte: »Oh! Dieses Ungeheuer … Er bringt mich noch um, er bringt mich noch um!«
Frau Faujas mußte sie trösten. Rose lief an den Fuß der Treppe und schrie aus Leibeskräften, damit Mouret es durch die Tür hindurch hörte: »Sie sind ein Ungeheuer, Herr Mouret; Madame hat ganz recht, wenn sie sagt, daß Sie ein Ungeheuer sind!«
Gewisse Streitigkeiten
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