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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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schuld, versichere ich Ihnen.«
    »Jawohl, sie hat sich selber geschlagen, nicht wahr?« versetzte Rose grinsend. Und sich an Frau Faujas wendend, fügte sie hinzu: »Er wird seinen Stock zum Fenster hinausgeworfen haben, als er uns hat kommen hören.«
    Mouret, der endlich den Leuchter auf die Kommode zurückgestellt und sich hingesetzt hatte, hielt die Hände auf den Knien. Er verteidigte sich nicht mehr; stumpfsinnig sah er diese halbangezogenen Frauen an, die mit ihren mageren Armen vor dem Bett herumfuchtelten. Trouche hatte mit Abbé Faujas einen Blick gewechselt. Der arme Mann in Hemdsärmeln, der ein gelbes Halstuch um seinen kahlen Schädel geschlungen hatte, kam ihnen wenig blutrünstig vor. Sie traten näher, musterten Marthe, die mit zuckendem Gesicht aus einem Traum zu kommen schien.
    »Was ist denn, Rose?« fragte sie. »Warum sind alle diese Leute da? Ich bin wie zerschlagen. Ich bitte dich, sag, man soll mich in Ruhe lassen.«
    Rose zögerte einen Augenblick.
    »Ihr Mann ist im Zimmer, Madame«, flüsterte sie. »Fürchten Sie sich nicht, mit ihm allein zu bleiben?«
    Marthe sah sie erstaunt an.
    »Nein, nein«, antwortete sie. »Gehen Sie, ich bin sehr müde.«
    Da gingen die fünf Leute aus dem Zimmer und ließen Mouret sitzen, der mit verlorenem Blick auf den Alkoven starrte.
    »Er kann die Tür nicht mehr verschließen«, sagte die Köchin, als sie wieder hinaufgingen. »Beim ersten Schrei rase ich hinunter und haue ihm die Hucke voll. Ich werde mich angezogen hinlegen … Haben Sie gehört, wie die liebe Frau log, damit man diesem Wilden nicht übel mitspielt? Sie würde sich umbringen lassen, ohne ihn anzuklagen. Wie heuchlerisch er aussah, he?«
    Die drei Frauen unterhielten sich noch eine Weile auf dem Treppenabsatz des zweiten Stocks, hielten ihre Leuchter in der Hand und ließen unter den schlecht befestigten Brusttüchern ihre dürren Knochen sehen; sie kamen zu dem Schluß, daß für einen solchen Mann keine Strafe hart genug sei.
    Trouche, der als letzter nach oben gegangen war, murmelte grinsend hinter Abbé Faujas˜ Soutane: »Die Hauswirtin ist noch ein rundliches Dingelchen; bloß soll das nicht immer angenehm sein, so eine Frau, die wie ein Wurm auf den Fliesen herumzappelt.«
    Sie trennten sich. Das Haus sank wieder in sein tiefes Schweigen zurück, die Nacht ging friedlich zu Ende. Als die drei Frauen am nächsten Tag wieder auf den entsetzlichen Auftritt zurückkommen wollten, fanden sie Marthe überrascht, gleichsam beschämt und verwirrt; sie antwortete nicht, brach das Gespräch kurz ab. Sie wartete, bis niemand da war, um einen Handwerker kommen zu lassen, der die Tür wieder instand setzte. Frau Faujas und Olympe schlossen daraus, daß Frau Mouret einen Skandal vermeiden wollte, indem sie nicht darüber sprach.
    Am übernächsten Tag, am Ostersonntag, genoß Marthe in SaintSaturnin in der triumphierenden Freude der Auferstehung ein glühendes Erwachen. Die Finsternis des Freitags war durch eine Morgenröte hinweggefegt; weiß, von Wohlgeruch erfüllt, wie für göttliche Hochzeiten festlich erleuchtet, wölbte sich die Kirche; die Stimmen der Chorknaben klangen wie Silberflöten; und inmitten dieses Jubelgesangs fühlte sie sich von einem Sinnenrausch aufgewühlt, der noch schrecklicher war als ihre Ängste vor dem Kreuzestod. Sie kam mit brennenden Augen und trockener Stimme nach Hause; sie zog den Abend in die Länge, plauderte mit einer Heiterkeit, die bei ihr nicht alltäglich war. Als sie hinaufging, um sich schlafen zu legen, war Mouret bereits im Bett. Und gegen Mitternacht weckten wiederum schreckenerregende Schreie das Haus.
    Der Auftritt von vorgestern wiederholte sich; nur öffnete Mouret, der im Hemd war und ein verstörtes Gesicht machte, beim ersten Faustschlag gegen die Tür. Marthe, die völlig angezogen war, weinte heftig schluchzend, lag auf dem Bauch ausgestreckt und stieß sich den Kopf am Fußende des Bettes. Das Mieder ihres Kleides schien aufgerissen zu sein; auf ihrem entblößten Hals waren zwei blaue Flecke zu sehen.
    »Diesmal hat er sie wohl erwürgen wollen«, murmelte Rose.
    Die Frauen entkleideten Marthe.
    Nachdem Mouret die Tür aufgemacht hatte, war er schaudernd und weiß wie ein Laken wieder ins Bett gegangen. Er verteidigte sich nicht, schien die bösen Reden nicht einmal zu hören, verschwand, verkroch sich in dem Spalt zwischen Bett und Wand. Von da an fanden in unregelmäßigen Abständen ähnliche Auftritte statt. Das Haus lebte nur

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