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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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sich die Haare ausrissen, sie trieben es noch schlimmer. Er sah nur kleine Sünden; die Wildesten kanzelte er in der Kapelle ab, aus der sie fügsam herauskamen. Manchmal nahm er einen ernsteren Fall zum Anlaß, die Eltern rufen zu lassen, und wenn er sie wegschickte, waren sie von seiner Gutmütigkeit gerührt. Die Gassenmädchen des Marienwerkes hatten ihm so das Herz der armen Familien Plassans gewonnen. Wenn sie abends nach Hause kamen, erzählten sie ungewöhnliche Dinge über den Herrn Pfarrer. Es war nicht selten, daß man zwei von ihnen in den dunklen Winkeln der Wälle traf, die dabei waren, sich über die entscheidende Frage, welche von beiden der Herr Pfarrer am meisten liebe, zu ohrfeigen.
    Diese kleinen Flittchen stellen gut zwei bis dreitausend Stimmen dar, dachte Trouche, während er vom Fenster seines Büros Abbé Faujas˜ Liebenswürdigkeiten zusah.
    Er hatte sich angeboten, »diese Herzchen«, wie er die jungen Mädchen nannte, zu erobern; aber der Priester, der durch Trouches funkelnde Blicke beunruhigt war, hatte ihm ausdrücklich untersagt, den Hof zu betreten. Er begnügte sich damit, wenn die Nonnen den Rücken kehrten, den »Herzchen« Naschereien zuzuwerfen, wie man den Spatzen Brotkrumen zuwirft. Vor allem füllte er die Schürze einer großen Blonden mit Bonbons, der Tochter eines Gerbers, die mit dreizehn Jahren die Schultern einer erwachsenen Frau hatte.
    Abbé Faujas˜ Tagewerk war nicht beendet. Danach stattete er den Damen der Gesellschaft kurze Besuche ab. Frau Rastoil, Frau Delangre empfingen ihn mit entzückten Mienen; sie erzählten seine unbedeutendsten Worte weiter, verschafften sich mit ihm Gesprächsstoff für eine ganze Woche. Aber seine beste Freundin war Frau de Condamin. Sie wahrte eine lächelnde Vertraulichkeit, die Überlegenheit einer hübschen Frau, die sich allmächtig weiß. Sie führte kurze, halblaute Gespräche, hatte rasche Blicke, ein eigentümliches Lächeln, was von einem geheimgehaltenen Bündnis zeugte. Wenn sich der Priester bei ihr einfand, setzte sie ihren Gatten mit einem Blick vor die Tür. »Die Regierung hält Sitzung«, wie der Oberforstmeister, der in aller Gelassenheit zu Pferde stieg, spaßhaft sagte. Frau Rougon hatte den Priester auf Frau de Condamin aufmerksam gemacht.
    »Sie wird noch nicht gänzlich anerkannt«, erklärte sie ihm. »Eine sehr tüchtige Person, obwohl sie sich nur als hübsche und kokette Frau gibt. Sie können sich ihr eröffnen; sie wird in Ihrem Triumph eine Möglichkeit sehen, sich völlig durchzusetzen; sie wird Ihnen von ernsthaftem Nutzen sein, wenn Sie Posten und Kreuze der Ehrenlegion zu verteilen haben… Sie hat einen guten Freund in Paris behalten, der ihr soviel rotes Ordensband schickt, wie sie wünscht.«
    Da sich Frau Rougon durch einen höchst geschickten Kunstgriff abseits hielt, war die schöne Octavie auf diese Weise Abbé Faujas˜ tatkräftigste Verbündete geworden. Sie eroberte für ihn ihre Freunde und die Freunde ihrer Freunde. Jeden Morgen zog sie zu Felde, sie betrieb eine erstaunliche Propaganda und tat dabei nichts weiter, als mit der Spitze ihrer behandschuhten Finger kleine Grüße um sich zu werfen. Sie wirkte vor allen Dingen auf die Bürgersfrauen ein, verzehnfachte den weiblichen Einfluß, dessen unbedingte Notwendigkeit der Priester schon bei seinen ersten Schritten in der engen Welt von Plassans verspürt hatte. Sie schloß den Paloques den Mund, die wild über das Haus der Mourets herfielen; sie warf diesen beiden Scheusalen einen Honigkuchen zu.
    »Sie grollen uns also, liebe Madame Paloque?« sagte sie eines Tages zu der Richtersfrau, als sie sie traf. »Das ist gar nicht recht von Ihnen; Ihre Freunde vergessen Sie nicht, sie beschäftigen sich mit Ihnen, sie werden Ihnen eine Überraschung bereiten.«
    »Eine schöne Überraschung! Irgendeine halsbrecherische Sache!« rief Frau Paloque beißend. »Das sage ich Ihnen, man wird sich über uns nicht mehr lustig machen; ich habe ausdrücklich geschworen, in meinem Winkel zu bleiben.«
    Frau de Condamin lächelte.
    »Was würden Sie sagen«, fragte sie, »wenn Ihr Gatte einen Orden bekäme?«
    Die Richtersfrau war sprachlos. Eine Blutwoge färbte ihr das Gesicht blau und machte es abscheulich.
    »Sie scherzen«, stammelte sie, »das ist wieder so eine abgekartete Sache gegen uns … Wenn das nicht wahr ist, würde ich Ihnen mein Lebtag nicht verzeihen.«
    Die schöne Octavie mußte ihr schwören, daß nichts wahrer sei. Die Ernennung sei

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