Die Eroberung von Plassans - 4
beugte, wiederholte ihm immer wieder, daß er den Leuten gefallen müsse, daß er alles verderben werde, wenn er dummerweise gleichzeitig seine nackten Ringkämpferarme sehen ließe. Später, wenn er der Herr sei, könne er Plassans an der Kehle packen, es erwürgen, falls ihn das befriedige. Gewiß, sie war nicht liebevoll zu Plassans, gegen das sie einen Groll von vierzig Jahren Elend hegte und das sie seit dem Staatsstreich vor Arger platzen ließ.
»Ich habe die Soutane an«, sagte sie manchmal lächelnd zu ihm. »Sie haben ein Benehmen wie ein Gendarm, mein lieber Herr Pfarrer.«
Der Priester ließ sich vor allem im Leseraum des Jugendklubs sehr fleißig sehen. Dort hörte er nachsichtig zu, wie die jungen Leute über Politik sprachen, schüttelte den Kopf, sagte immer wieder, daß Ehrbarkeit genüge. Seine Beliebtheit wuchs. Eines Abends hatte er eingewilligt, Billard zu spielen, und sich dabei als beachtlicher Könner erwiesen; im kleinen Kreis nahm er Zigaretten an. Der Klub war daher in allen Dingen seiner Meinung. Was ihn vollends als einen duldsamen Menschen hinstellte, war die von Gutmütigkeit durchdrungene Art, mit der er für die Aufnahme Guillaume Porquiers plädierte, der seinen Antrag erneuert hatte.
»Ich habe diesen jungen Mann gesehen«, sagte er. »Er hat mir seine Generalbeichte abgelegt, und, meiner Treu, ich habe ihm Absolution erteilt. Jede Sünde findet Vergebung … Weil er in Plassans einige Schilder heruntergerissen und in Paris Schulden gemacht hat, deswegen darf man ihn nicht als einen Aussätzigen behandeln.«
Als Guillaume aufgenommen worden war, sagte er grinsend zu Herrn Maffres Söhnen:
»Na, ihr schuldet mir zwei Flaschen Champagner … Ihr seht, daß der Pfarrer alles tut, was ich will. Ich habe ein Dingelchen, um ihn an einer empfindlichen Stelle zu kitzeln, und da lacht er, Kinder, da kann er mir nichts abschlagen.«
»Er sieht aber nicht so aus, als ob er dich sehr liebt«, bemerkte Alphonse. »Er sieht dich gehörig über die Achsel an.«
»Pah! Das macht er, weil ich ihn wohl zu stark gekitzelt habe … Ihr werdet sehen, daß wir bald die besten Freunde von der Welt sind.«
In der Tat schien Abbé Faujas Zuneigung zu dem Sohn des Doktors zu fassen; er sagte, dieser arme junge Mann habe es nötig, von sehr sanfter Hand geleitet zu werden. Guillaume wurde in kurzer Zeit der Spaßmacher des Klubs; er erfand Spiele, machte das Rezept eines Punschs aus Kirschwasser bekannt, verführte die ganz jungen Leute, die eben dem Gymnasium entschlüpft waren. Seine liebenswürdigen Laster verschafften ihm einen gewaltigen Einfluß. Während die Orgel über dem Billardraum brauste, trank er, von den Söhnen der vornehmen Persönlichkeiten Plassans umgeben, seine Schoppen, erzählte ihnen Unanständigkeiten, bei denen sie prustend lachten. So glitt der Klub in zotige Streiche ab, die heimlich in den Ecken verabredet wurden. Abbé Faujas hörte nichts. Guillaume gab ihn »als einen tüchtigen Grips« aus, der große Gedanken wälze.
»Der Abbé wird Bischof, wann er will«, erzählte er. »Er hat bereits eine Pfarrstelle in Paris abgelehnt. Er wünscht, in Plassans zu bleiben, er hat Liebe zu der Stadt gefaßt … Ich würde ihn zum Abgeordneten nominieren. Er würde unsere Angelegenheiten in der Kammer vertreten! Aber er würde nicht annehmen, er ist zu bescheiden … Man wird ihn um Rat fragen können, wenn die Wahlen heranrücken. Der wird niemanden reinlegen!«
Lucien Delangre blieb der ernste Mann des Klubs. Er legte eine achtungsvolle Ehrerbietung für Abbé Faujas an den Tag, er eroberte ihm die Gruppe der fleißigen jungen Leute. Oft begab er sich, lebhaft plaudernd, mit ihm zum Klub und verstummte, sobald sie den öffentlichen Saal betraten.
Wenn der Abbé aus dem in den Kellern der Minimitenkirche untergebrachten Café herauskam, begab er sich regelmäßig zum Marienwerk. Er erschien mitten in der Freistunde, zeigte sich lächelnd auf der Freitreppe des Hofes. Dann liefen alle Gassenmädchen herbei; stritten sich um seine Taschen, in denen immer Heiligenbilder, Rosenkränze, geweihte Medaillen steckten. Er hatte es fertiggebracht, sich von diesen großen Mädchen anschwärmen zu lassen, indem er ihnen kleine Klapse auf die Wangen gab und ihnen empfahl, hübsch artig zu sein, was ein heimliches Lachen auf ihren frechen Mienen hervorrief. Oft beklagten sich die Nonnen bei ihm; die ihrer Obhut anvertrauten Kinder seien nicht zu bändigen, sie prügelten einander, daß sie
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