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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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allein, mein Sohn«, sagte er zu seinem Sekretär, der sich zurückzog.
    Er sprach über seine Reise. Seiner Schwester ginge es besser; er habe alten Freunden die Hand drücken können.
    »Und haben Sie den Minister aufgesucht?« fragte Abbé Faujas und sah ihn scharf an.
    »Ja, ich habe geglaubt, ihm einen Besuch abstatten zu müssen«, erwiderte der Bischof, der spürte, daß er rot wurde. »Er hat mir gegenüber sehr gut von Ihnen gesprochen.«
    »Sie zweifeln also nicht mehr, Sie vertrauen mir?«
    »Unbedingt, mein lieber Pfarrer. Im übrigen verstehe ich nichts von Politik. Ich lasse Sie nach Ihrem Willen handeln.«
    Sie plauderten den ganzen Vormittag miteinander. Abbé Faujas erreichte von ihm, daß er eine Rundreise durch die Diözese machen werde. Er würde ihn begleiten, ihm die geringsten Äußerungen einblasen. Außerdem sei es notwendig, alle Dechanten so anzuweisen, daß die Pfarrer der kleinsten Gemeinden Verhaltensvorschriften entgegennehmen könnten. Das böte keinerlei Schwierigkeiten, die Geistlichkeit würde gehorchen. Die heikelste Arbeit sei in Plassans selbst zu tun, im SaintMarcViertel. Der Adel, der sich tief in seine Stadthäuser verkrochen hat, entgehe gänzlich der Tätigkeit des Priesters; Faujas habe bis jetzt nur auf die ehrgeizigen Royalisten, die Rastoils, die Maffres, die Boudeus, einwirken können. Der Bischof versprach ihm, bestimmte Salons des Saint MarcViertels, in denen er empfangen wurde, zu sondieren. Sogar vorausgesetzt, daß der Adel schlecht wählen würde, brächte er übrigens nur eine lächerliche Minderheit zusammen, wenn das klerikale Bürgertum ihn im Stich ließe.
    »Jetzt wäre es vielleicht gut«, sagte Monsignore Rousselot und stand auf, »wenn ich den Namen Ihres Kandidaten kennen würde, um ihn in allen Briefen zu empfehlen.«
    Abbé Faujas lächelte.
    »Ein Name ist gefährlich«, antwortete er. »In acht Tagen bliebe von unserem Kandidaten kein Stück mehr übrig, wenn wir ihn heute nominieren würden … Marquis de Lagrifoul ist unmöglich geworden. Herr de Bourdeu, der damit rechnet, als Kandidat aufzutreten, ist noch unmöglicher. Wir werden sie sich gegenseitig zugrunde richten lassen, wir schreiten erst im letzten Augenblick ein … Sagen Sie einfach, eine rein politische Wahl wäre bedauerlich, man brauchte im Interesse Plassans einen außerhalb der Parteien ausgewählten Mann, der die Bedürfnisse der Stadt und des Departements gründlich kenne. Geben Sie selbst zu verstehen, daß dieser Mann gefunden ist, aber gehen Sie nicht zu weit.«
    Der Bischof lächelte seinerseits. Er hielt den Priester zurück, als dieser sich verabschieden wollte.
    »Und Abbé Fenil?« fragte er ihn, die Stimme senkend. »Fürchten Sie nicht, daß er Ihren Plänen in die Quere kommt?« Abbé Faujas zuckte die Achseln.
    »Er hat sich nicht mehr gerührt«, sagte er.
    »Eben«, begann der Kirchenfürst wieder, »diese Stille beunruhigt mich. Ich kenne Fenil, er ist der gehässigste Priester meiner Diözese. Die Eitelkeit, Sie auf politischem Gebiet zu schlagen, hat er vielleicht aufgegeben; aber seien Sie sicher, daß er sich von Mann zu Mann rächen wird … Er dürfte Sie von seinem Zufluchtsort aus belauern.«
    »Ach was!« sagte Abbé Faujas, der seine weißen Zähne zeigte, »er wird mich schon nicht bei lebendigem Leibe fressen.«
    Abbé Surin war gerade hereingekommen. Als der Pfarrer von SaintSaturnin fortgegangen war, erheiterte Abbé Surin Monsignore Rousselot sehr, indem er flüsterte:
    »Wenn sie sich doch gegenseitig zerfleischen möchten wie die zwei Füchse, von denen nur die beiden Schwänze übrigblieben!«
    Die Wahlperiode wurde eröffnet. Plassans, das politische Fragen für gewöhnlich völlig kalt ließen, bekam leichtes Fieber. Ein unsichtbarer Mund schien den Krieg in die friedlichen Straßen zu blasen. Marquis de Lagrifoul, der in La Palud, einem großen Marktflecken in der Nachbarschaft, wohnte, war seit vierzehn Tagen bei einem seiner Verwandten abgestiegen, dem Grafen de Valqueyras, dessen Haus eine ganze Ecke im SaintMarcViertel einnahm. Er ließ sich sehen, ging auf dem Cours Sauvaire spazieren, ging in die Kirche SaintSaturnin, grüßte die einflußreichen Persönlichkeiten, ohne jedoch aus der ihm eigenen Übelgelauntheit eines Edelmannes herauszutreten. Aber diese Bemühungen, liebenswürdig zu sein, die ein erstes Mal genügt hatten, schienen keinen großen Erfolg zu haben. Anschuldigungen waren im Umlauf, die täglich größer wurden und aus

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