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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Gott weiß was für einer Quelle kamen: der Marquis sei von einer erbärmlichen Nichtigkeit; mit einem anderen Mann als dem Marquis hätte Plassans seit langem eine Zweigbahn gehabt, die es mit der Strecke nach Nizza verbinden würde; wenn schließlich ein Landeskind den Marquis in Paris aufsuchen wolle, müsse es drei oder viermal vorsprechen, ehe ihm die geringste Gefälligkeit erwiesen werde. Indessen war, obwohl die Kandidatur des scheidenden Abgeordneten durch die Vorwürfe sehr in Frage gestellt wurde, noch kein anderer Kandidat in deutlicher Form aufgetreten. Man sprach von Herrn de Bourdeu, obgleich man sagte, daß es sehr schwierig sein würde, eine Mehrheit auf den Namen dieses ehemaligen Präfekten LouisPhilippes34 zu vereinen, der nirgends feste Beziehungen habe. Die Wahrheit war, daß soeben ein unbekannter Einfluß in Plassans die vorhergesehenen Aussichten der verschiedenen Kandidaturen dadurch völlig durcheinandergebracht hatte, daß er das Bündnis der Legitimisten und Republikaner zerbrach. Vorherrschend war eine allgemeine Ratlosigkeit, eine sorgenvolle Verwirrung, ein Bedürfnis, die Wahlen schnellstens hinter sich zu bringen.
    »Die Stimmenmehrheit hat sich verschoben«, sagten die klugen Politiker vom Cours Sauvaire immer wieder. »Die Frage ist, in welcher Richtung sie sich festlegen wird.«
    In diesem Uneinigkeitsfieber, das über die Stadt dahinstrich, wollten die Republikaner ihren Kandidaten haben. Ihre Wahl fiel auf einen Hutmachermeister, einen gewissen Maurin, einen bei den Arbeitern sehr beliebten Biedermann. Abends in den Cafés fand Trouche, Maurin sei sehr farblos; er schlug einen durch die Dezemberereignisse35 geächteten Mann vor, einen Stellmacher aus Les Tulettes, der den gesunden Menschenverstand hatte, abzulehnen. Es muß gesagt werden, daß sich Trouche als einer der glühendsten Republikaner ausgab. Er würde sich selber vordrängen, sagte er, wenn der Bruder seiner Frau nicht bei den Pfaffen wäre; zu seinem großen Bedauern sehe er sich gezwungen, das Brot der Mucker zu essen, was ihn nötige, im Dunkeln zu bleiben. Er war einer der ersten, der häßliche Gerüchte über Marquis de Lagrifoul verbreitete, er riet gleichfalls zum Bruch mit den Legitimisten. Die Republikaner, die in Plassans sehr gering an Zahl waren, mußten notwendigerweise geschlagen werden. Aber Trouches Triumph war es, die Sippschaft der Unterpräfektur und die Sippschaft der Rastoils zu beschuldigen, sie hätten den armen Mouret zu dem Zweck verschwinden lassen, die demokratische Partei eines ihrer ehrenwertesten Führer zu berauben. An dem Abend, an dem er diese Beschuldigung bei einem Likörhändler in der Rue Canquoin in Umlauf setzte, blickten sich die anwesenden Leute mit sonderbarer Miene an. Der Klatsch der Altstadt war nun, da der »Verrückte, der seine Frau schlug«, eingesperrt war, zu Mitleid gerührt und erzählte, Abbé Faujas habe sich eines lästigen Gatten entledigen wollen. Da wiederholte Trouche jeden Abend seine Geschichte, wobei er mit einer solchen Überzeugung mit der Faust auf die Tische der Cafés schlug, daß er den Leuten schließlich ein unglaubliches Märchen einredete, in dem Herr Péqueur des Saulaies die seltsamste Rolle von der Welt spielte. Es vollzog sich eine unbedingte Wendung zugunsten Mourets. Er wurde ein politisches Opfer, ein Mann, dessen Einfluß man so sehr fürchtete, daß man ihn in eine Zelle von Les Tulettes gebracht hatte.
    »Lassen Sie mich meine Angelegenheiten regeln«, sagte Trouche mit vertraulicher Miene. »Ich werde alle diese verdammten Betschwestern aufsitzen lassen, und ich werde hübsche Sachen über ihr Marienwerk erzählen … Ein nettes Haus, wo diese Damen Stelldicheins geben!«
    Unterdessen vervielfältigte sich Abbé Faujas geradezu. Seit einiger Zeit sah man nur ihn auf den Straßen. Er pflegte sich mehr, bemühte sich, ein liebenswürdiges Lächeln auf den Lippen zu bewahren. Zeitweise senkten sich die Augenlider, löschten die düstere Flamme seines Blicks. Mit seiner Geduld am Ende und der täglichen kleinlichen Kämpfe überdrüssig, kehrte er oft mit geballten Fäusten und von seiner nutzlosen Kraft geschwellten Schultern in sein kahles Zimmer heim, wünschte, irgendeinen Riesen zu erwürgen, um sich Erleichterung zu verschaffen. Die alte Frau Rougon, die er weiterhin insgeheim besuchte, war sein guter Geist; sie las ihm gehörig die Leviten, hielt ihn fest mit seinem großen Körper, der sich vor ihr auf einem niedrigen Stuhl

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