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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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er selbst das heimliche Ausräumen der Truhe; er sah ihr zu, wie sie ihre Taschen füllte, und wartete, daß sie wieder heraufkam, um den Gang noch einmal zu machen. Aus Vorsicht ließ er sie jeden Abend nur zweimal deshalb hinuntergehen. Der alten Frau zerriß es das Herz bei jedem Gegenstand, den sie zurückbrachte; sie wagte nicht zu weinen, aber Tränen des Bedauerns schwellten ihr die Lider; ihre Hände zitterten stärker als beim Ausleeren der Schränke. Es gab ihr den Rest, als sie gleich am zweiten Tag feststellte, daß ihre Tochter Olympe bei jedem Gegenstand, den sie zurückstellte, hinter ihr her kam und sich seiner bemächtigte. Die Wäsche, die Vorräte, die Kerzenstummel wechselten nur die Tasche.
    »Ich bringe nichts mehr runter«, sagte sie zu ihrem Sohn, und begehrte auf unter diesem unvorhergesehenem Schlag. »Es ist unnütz, deine Schwester rafft hinter meinem Rücken alles zusammen. Ah, dieses Luder! Ebensogut könnte man ihr die Truhe geben. Sie muß da oben einen hübschen Schatz haben … Ich flehe dich an, Ovide, laß mich behalten, was noch übrigbleibt. Das fügt der Hausbesitzerin keinen Schaden zu, weil es für sie ja sowieso verloren ist.«
    »Meine Schwester ist, was sie ist«, antwortete der Priester ruhig, »aber ich will, daß meine Mutter eine ehrbare Frau ist. Ihr werdet mir mehr helfen, wenn Ihr keine derartigen Handlungen begeht.«
    Sie mußte alles zurückgeben, und sie lebte seitdem in einem wilden Haß auf die Trouches, auf Marthe, auf das ganze Haus. Sie sagte, daß der Tag kommen werde, an dem sie Ovide gegen all diese Leute verteidigen müsse.
    Die Trouches herrschten jetzt unumschränkt. Sie vollendeten die Eroberung des Hauses, sie drangen in die schmälsten Winkel. Allein die Wohnung des Abbé wurde verschont. Nur vor ihm zitterten sie, was sie nicht hinderte, Freunde einzuladen, »große Fressereien« zu veranstalten, die bis zwei Uhr morgens dauerten. Guillaume Porquier kam mit Scharen junger Leute. Olympe tat trotz ihrer siebenunddreißig Jahre schön, und mehr als einer, der gerade dem Gymnasium entschlüpft war, kam ihr sehr nahe, wobei sie lachte wie eine Frau, die gekitzelt wird und glücklich ist. Das Haus wurde für sie ein Paradies. Trouche grinste, hatte sie zum besten, wenn er mit ihr allein war; er behauptete, unter ihren Unterröcken eine Schulmappe gefunden zu haben.
    »Sieh mal an!« sagte sie, ohne böse zu werden. »Amüsierst du dich denn nicht? – Du weißt genau, wir können jeder tun und lassen, was wir wollen.«
    Die Wahrheit war, daß Trouche dieses Schlaraffenleben durch einen zu tollen Streich beinahe aufs Spiel gesetzt hätte. Eine Nonne hatte ihn zusammen mit der Tochter eines Gerbers überrascht, mit jenem großen, blonden Gassenmädel, von dem er seit langem keinen Blick wandte. Die Kleine erzählte, sie sei nicht die einzige, andere hätten auch Bonbons bekommen. Da die Nonne das Verwandtschaftsverhältnis Trouches mit dem Pfarrer von SaintSaturnin kannte, war sie so klug, das Abenteuer nicht auszuplaudern, bevor sie diesen gesehen hatte. Er dankte ihr, gab ihr zu verstehen, daß die Religion als erste unter einem solchen Skandal zu leiden hätte. Die Angelegenheit wurde vertuscht, die Wohltätigkeitsdamen des Marienwerkes argwöhnten nichts. Aber Abbé Faujas hatte mit seinem Schwager eine furchtbare Auseinandersetzung, die er in Olympes Gegenwart vom Zaune brach, damit die Frau eine Waffe gegen den Gatten in der Hand habe und ihn in Schach halten könne. Daher sagte sie seit jener Geschichte jedesmal wenn Trouche sie ärgerte, trocken zu ihm: »Gib doch den kleinen Mädchen Bonbons!«
    Sie waren lange Zeit von einem anderen Schrecken erfüllt. Trotz des üppigen Lebens, das sie führten, und obwohl sie aus den Schränken der Hausbesitzerin mit allem versorgt wurden, steckten sie im Stadtviertel bis über die Ohren in Schulden. Trouche brachte sein Gehalt in den Cafés durch; Olympe verschwendete für Launen das Geld, das sie Marthe aus der Tasche zog, indem sie ihr ungewöhnliche Geschichten erzählte. Was die zum Leben notwendigen Dinge anbelangt, so ließ das Ehepaar sie fromm anschreiben. Eine Rechnung, die sie sehr beunruhigte, war vor allem die des Konditors aus der Rue de la Banne – sie belief sich auf mehr als hundert Francs –, um so mehr, als dieser Bäcker ein Grobian war, der ihnen drohte, alles Abbé Faujas zu sagen. Die Trouches lebten in großen Ängsten, weil sie irgendeinen schrecklichen Auftritt fürchteten; aber an

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