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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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beunruhigte ihn Abbé Faujas˜ Erfolg. Er betrachtete ihn mit seiner hübschen Miene, war gekränkt über dessen Barschheit, entsann sich Monsignores Prophezeiung und suchte den Riß, der vermuten ließ, daß der Koloß zu Staub zerfallen würde.
    Die Herren waren indessen zufriedengestellt, ausgenommen Herr de Bourdeu und Herr Péqueur des Saulaies, die noch auf die Gunst der Regierung warteten. Daher waren jene beiden Abbé Faujas˜ wärmste Anhänger. Die anderen hätten sich in Wahrheit gern empört, wenn sie es gewagt hätten; sie waren der ständigen Dankbarkeit müde, die der Gebieter erheischte; sie wünschten glühend, daß eine mutige Hand sie erlöse. Deshalb wechselten sie seltsame Blicke und schauten gleich wieder weg, als Frau Paloque, große Gleichgültigkeit heuchelnd, eines Tages fragte:
    »Und was wird denn aus Abbé Fenil? Seit einer Ewigkeit habe ich nichts von ihm gehört.«
    Tiefes Schweigen war eingetreten.
    Allein Herr de Condamin war imstande, ein so heißes Eisen anzufassen. Man blickte ihn an.
    »Aber«, antwortete er ruhig, »ich glaube, er ist auf seinem Besitz in Les Tulettes eingesperrt.«
    Und Frau de Condamin setzte mit ironischem Lachen hinzu:
    »Man kann in Frieden schlafen: er ist ein erledigter Mann, der sich nicht mehr in die Angelegenheiten von Plassans einmischen wird.«
    Allein Marthe blieb ein Hindernis. Abbé Faujas fühlte, wie sie ihm täglich mehr entglitt; er spannte seinen Willen an, berief sich auf seine Kräfte als Priester und Mann, um sie niederzubeugen, ohne es dahin zu bringen, in ihr die Glut zu mäßigen, die er in ihr entfacht hatte. Sie ging dem logischen Ziel jeder Leidenschaft entgegen, verlangte, mit jeder Stunde tiefer einzugehen in den Frieden, in die Verzückung, in das vollkommene Nichts des göttlichen Glücks. Und es war in ihr eine tödliche Angst, auf dem Grunde ihres fleischlichen Seins gleichsam eingemauert zu werden, sich nicht zu jener Lichtschwelle erheben zu können, die sie immer weiter, immer höher zu gewahren glaubte. Nun fröstelte sie in der Kirche SaintSaturnin, in diesem kalten Dunkel, wo sie ein Nahen voller so glühender Wonnen ausgekostet hatte; das Brausen der Orgel strich über ihren gebeugten Nacken, ohne ihre Flaumhärchen in einem wollüstigen Erschauern aufzurichten; die weißen Weihrauchschwaden schläferten sie nicht mehr ein in einem mystischen Traum; die flammenden Kapellen, die wie Gestirne strahlenden heiligen Monstranzen, die goldenen und silbernen Meßgewänder verblaßten, ertranken unter ihren tränenverschleierten Blicken. Da hob sie, einer Verdammten gleich, die von den Feuern des Paradieses verbrannt wird, verzweifelt die Arme; sie rief den Geliebten an, der sich ihr verweigerte, stammelte, schrie: »Mein Gott, mein Gott! Warum hast du dich von mir zurückgezogen?«
    Beschämt, gleichsam verletzt von der stummen Kälte der Gewölbe, verließ Marthe mit dem Zorn einer verschmähten Frau die Kirche. Sie träumte von Martern, um ihr Blut darzubringen; sie sträubte sich wütend in diesem Unvermögen, weiter zu gehen als das Gebet, sich nicht mit einem Sprung in die Arme Gottes zu stürzen. Nach Hause zurückgekehrt, setzte sie ihre Hoffnung dann nur in Abbé Faujas. Er allein konnte sie Gott geben; er hatte ihr die Eingangsfreuden erschlossen, er mußte nun den ganzen Schleier zerreißen. Und sie ersann eine Folge von Andachtsübungen, die die völlige Befriedigung ihres Seins bezweckten.
    Aber der Priester brauste auf, vergaß sich so weit, sie grob anzufahren, weigerte sich, ihr Gehör zu schenken, solange sie nicht auf den Knien läge, gedemütigt, leblos, einem Leichnam gleich.
    Aufrecht stehend, hörte sie ihn an. Sie war aufgebracht durch ein Aufbegehren ihres ganzen Leibes, wandte den Groll ihres betrogenen Begehrens gegen ihn, beschuldigte ihn des feigen Verrats, an dem sie sterbe.
    Oft glaubte die alte Frau Rougon, zwischen dem Abbé und ihrer Tochter vermitteln zu müssen, wie sie es früher zwischen ihrer Tochter und Mouret getan. Als Marthe ihr ihren Kummer erzählt hatte, sprach sie zu dem Priester wie eine Schwiegermutter, die das Glück ihrer Kinder will und die Zeit damit verbringt, in beider Ehe Frieden zu stiften.
    »Schauen Sie«, sagte sie lächelnd zu ihm, »Sie können also nicht in Ruhe leben! Marthe beklagt sich noch immer, und Sie scheinen ständig mit ihr zu schmollen … Ich weiß wohl, daß Frauen anspruchsvoll sind, aber räumen Sie auch ein, daß Sie es ein bißchen an Entgegenkommen

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