Die Eroberung von Plassans - 4
dem Tag, als die Rechnung präsentiert wurde, zahlte Abbé Faujas ohne Einwand, vergaß sogar, ihnen Vorwürfe zu machen. Der Priester schien über diese Erbärmlichkeiten erhaben; schwarz und streng lebte er weiter in diesem der Plünderung preisgegebenen Haus, ohne die blutgierigen Zähne, die die Mauern zerfraßen, den langsamen Verfall, der nach und nach die Zimmerdecken zum Krachen brachte, gewahr zu werden. Alles um ihn her stürzte in die Tiefe, während er geradeswegs seinem ehrgeizigen Traum zustrebte. Er kampierte noch immer wie ein Soldat in seinem großen, kahlen Zimmer, gönnte sich keinerlei Wohlstand, wurde böse, wenn man ihn verwöhnen wollte. Seit er Herr von Plassans war, wurde er wieder schmutzig: sein Hut war rot, seine Strümpfe waren mit Schmutz bespritzt; seine Soutane, die seine Mutter jeden Morgen ausbesserte, ähnelte dem kläglichen, abgetragenen, ausgeblichenen Fetzen, den er in der ersten Zeit trug.
»Ach was! Sie ist noch sehr gut«, antwortete er, wenn man rings um ihn ein paar schüchterne Bemerkungen wagte. Und er stellte sie zur Schau, spazierte erhobenen Hauptes mit ihr durch die Straßen, ohne sich um die seltsamen Blicke zu kümmern, die man ihm zuwarf. Es lag nichts Herausforderndes in seinem Zustand; es war eine natürliche Neigung. Jetzt, da er glaubte, er habe es nicht mehr nötig, den Leuten zu gefallen, kehrte er zu seiner Geringschätzung aller Anmut zurück. Sein Triumph war es, sich so, wie er war, mit seinem großen, ungeschlachten Körper, seiner Derbheit, seiner zerschlissenen Kleidung mitten in das eroberte Plassans zu setzen.
Frau de Condamin, die von jenem scharfen Soldatengeruch, der aus seiner Soutane aufstieg, unangenehm berührt war, wollte ihn eines Tages mütterlich ausschelten.
»Wissen Sie, daß die Damen anfangen, Sie zu verabscheuen?« sagte sie lachend zu ihm. »Sie beschuldigen Sie, nicht mehr die geringsten Ausgaben für Toiletten zu machen … Wenn Sie früher Ihr Taschentuch hervorzogen, war es, als schwenke ein Chorknabe hinter Ihnen ein Weihrauchgefäß.«
Er schien sehr erstaunt. Er glaubte, er habe sich nicht verändert. Aber sie kam näher und sagte mit freundschaftlicher Stimme:
»Spaß beiseite, mein lieber Pfarrer, Sie erlauben mir, offenherzig mit Ihnen zu sprechen … Nun also! Es ist falsch von Ihnen, sich zu vernachlässigen. Kaum daß Ihr Bart geschnitten ist, Sie kämmen sich nicht mehr, Ihre Haare sind zerzaust, als hätten Sie sich eben herumgeprügelt. Ich versichere Ihnen, das macht einen sehr schlechten Eindruck … Madame Rastoil und Madame Delangre sagten mir gestern, sie würden Sie nicht mehr wiedererkennen. Sie gefährden Ihre Erfolge.«
Er begann zu lachen, ein herausforderndes Lachen, und schüttelte dabei seinen ungepflegten und mächtigen Kopf.
»Jetzt ist es geschafft«, begnügte er sich zu antworten, »sie müssen mich schon schlecht gekämmt hinnehmen.«
Plassans mußte ihn in der Tat schlecht gekämmt hinnehmen. Aus dem geschmeidigen Priester entwickelte sich eine düstere, despotische Gestalt, die jeden Willen niederbeugte. Sein wieder erdfarben gewordenes Gesicht schleuderte Adlerblicke; seine derben Hände erhoben sich voller Drohungen und Züchtigungen. Die Stadt wurde tatsächlich in Schrecken versetzt, als sie sah, wie der Herr und Gebieter, den sie sich gegeben hatte, so maßlos groß wurde, mit dem unsauberen Plunder, dem scharfen Geruch, dem fuchsroten Haar eines Teufels. Die dumpfe Angst der Frauen verstärkte seine Macht noch. Er wurde grausam zu seinen Beichtkindern, und nicht eines wagte ihn zu verlassen; sie kamen zu ihm mit Schaudern, deren Fieber sie auskosteten.
»Meine Liebe«, bekannte Frau de Condamin, Marthe, »ich hatte unrecht, als ich wollte, daß er sich parfümiere; ich gewöhne mich daran, ich finde sogar, daß es viel besser ist … Das ist ein Mann!«
Abbé Faujas herrschte vor allen Dingen in der bischöflichen Residenz. Seit den Wahlen hatte er Monsignore Rousselot ein müßiges Prälatenleben verschafft. Der Bischof lebte mit seinen geliebten alten Schwarten in seinem Arbeitsraum, wo ihn der Abbé, der die Diözese aus dem benachbarten Zimmer leitete, wahrhaft unter Verschluß hielt und nur den Personen gestattete, ihn zu sehen, gegen die er kein Mißtrauen hegte. Die Geistlichkeit zitterte unter diesem unumschränkten Gebieter; die alten Priester im weißen Haar beugten sich in ihrer kirchlichen Demut, ihrem Aufgeben jeden Willens. Oft weinte Monsignore Rousselot, der mit
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