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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Stimme:
    »Also auch Sie schicken mich von Plassans fort? Aber ich würde sterben in einer unbekannten Gegend, fern von meinen Gewohnheiten, fern von denen, die ich liebe!«
    Der Priester war aufgestanden, war im Begriff, das Wohnzimmer zu verlassen. Er kam näher, entgegnete mit einem Lächeln:
    »Ihre Freunde wünschen nur Ihre Gesundheit. Warum lehnen Sie sich so dagegen auf?«
    »Nein, ich will nicht, ich will nicht, verstehen Sie!« rief sie zurückweichend.
    Es gab einen kurzen Kampf. Dem Abbé war das Blut in die Wangen gestiegen; er hatte die Arme verschränkt, um gleichsam der Versuchung zu widerstehen, sie zu schlagen. Gegen die Wand gelehnt, hatte sie sich mit der Verzweiflung ihrer Schwäche wieder aufgerichtet. Besiegt streckte sie dann die Hände aus und stammelte:
    »Ich flehe Sie an, lassen Sie mich hier … Ich werde Ihnen gehorchen.«
    Und als sie in Schluchzen ausbrach, ging er achselzuckend davon und sah dabei aus wie ein Ehemann, der fürchtet, daß seine Frau Weinkrämpfe bekommt. Frau Faujas, die seelenruhig zu Ende aß, hatte diesem Auftritt mit vollem Munde beigewohnt. Sie ließ Marthe ganz nach ihrem Belieben weinen.
    »Sie sind unvernünftig, mein liebes Kind«, sagte sie schließlich, während sie noch einmal Kompott nahm. »Sie werden es am Ende dahin bringen, daß Ovide Sie verabscheut. Sie verstehen ihn nicht zu nehmen … Warum weigern Sie sich zu reisen, wenn Ihnen das guttun soll? Wir würden Ihr Haus hüten. Sie würden alles an seinem Platz wiederfinden, sage ich Ihnen.«
    Marthe schluchzte noch immer und schien nicht zu hören.
    »Ovide hat so viele Sorgen«, fuhr die alte Dame fort. »Wissen Sie, daß er oft bis vier Uhr früh arbeitet? – Wenn Sie nachts husten, greift ihn das sehr an und bringt ihn um all seine Gedanken. Er kann nicht mehr arbeiten, er leidet mehr als Sie … Tun Sie es um Ovides willen, mein liebes Kind; gehen Sie fort, kommen Sie uns gesund wieder.«
    Aber ihr rotgeweintes Gesicht hebend, und all ihre Angst in einen Schrei legend, schrie Marthe:
    »Ach fürwahr, der Himmel lügt!«
    An den folgenden Tagen war von der Reise nach Nizza nicht mehr die Rede. Frau Mouret wurde bei der geringsten Anspielung wie von Sinnen. Sie weigerte sich mit so verzweifelter Kraft, Plassans zu verlassen, daß selbst der Priester die Gefahr einsah, auf diesem Vorhaben zu bestehen. Sie begann, ihm in seinem Triumph schrecklich hinderlich zu werden. Wie Trouche grinsend sagte, hätte man sie als erste nach Les Tulettes schicken sollen. Seit Mourets Entführung schloß sie sich in die strengsten religiösen Andachtsübungen ein, vermied es, den Namen ihres Gatten auszusprechen, verlangte vom Gebet eine Betäubung ihres ganzen Wesens. Aber sie blieb unruhig und kam von SaintSaturnin mit einem noch gierigerem Bedürfnis nach Vergessen zurück.
    »Die Hausbesitzerin ist hübsch am Abschnappen«, erzählte Olympe jeden Abend ihrem Mann. »Heute habe ich sie zur Kirche begleitet; ich habe sie von der Erde aufheben müssen … Du würdest lachen, wenn ich dir wiederholte, was sie alles gegen Ovide ausspeit; sie ist wütend, sie sagt, er habe kein Herz, er habe sie getäuscht, als er ihr einen Haufen Tröstungen versprach. Und gegen den lieben Gott erst! Man muß sie hören! So schlecht von der Religion kann nur eine Betschwester reden. Man möchte glauben, der liebe Gott habe sie um eine große Summe Geldes betrogen … Soll ich es dir sagen? Ich glaube, ihr Mann kommt nachts und zieht sie an den Füßen.«
    Trouche hatte viel Spaß an all diesen Geschichten.
    »Da ist ihr eben nicht zu helfen«, antwortete er. »Wenn dieser Hanswurst Mouret dort in Les Tulettes ist, so deshalb, weil sie es gewollt hat. An Faujas˜ Stelle wüßte ich, wie ich die Dinge arrangieren würde; ich machte sie zufrieden und sanft wie ein Lamm. Aber er ist dumm, der Faujas; er läßt noch seine Haut hierbei, du wirst sehen … Hör zu, mein Mädchen, dein Bruder ist nicht nett genug zu uns, als daß man ihn aus der Verlegenheit zieht. Ich würde lachen, wenn die Hausbesitzerin ihn eines Tages unterkriegen wird. Zum Teufel, wenn man so gebaut ist, läßt man eine Frau aus dem Spiel!«
    »Ja, Ovide verachtet uns zu sehr«, murmelte Olympe.
    Da senkte Trouche die Stimme.
    »Sag mal, wenn sich die Wirtin mit deinem Bruder, diesem Dummkopf, in irgendeinen Brunnen stürzte, hätten wir zu bestimmen; das Haus würde uns gehören. Da könnte man hübsch sein Schäfchen ins trockene bringen … Das wäre eine richtige

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