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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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fehlen lassen … Ich bin wirklich bekümmert über das, was vorgeht; es wäre so leicht, sich zu verstehen! Ich bitte Sie, mein lieber Abbé, seien Sie sanftmütiger.«
    Sie schalt auch freundschaftlich mit ihm wegen seines schlechten Äußeren. Sie spürte mit der Witterung einer durchtriebenen Frau, daß er den Sieg mißbrauchte. Dann entschuldigte sie ihre Tochter; das liebe Kind habe viel erduldet, ihre nervöse Reizbarkeit erfordere große Rücksichtnahmen; im übrigen habe sie einen vortrefflichen Charakter, ein liebevolles Gemüt, über das ein geschickter Mann nach seinem Belieben verfügen sollte. Aber als sie ihn eines Tages so in der Art und Weise unterwies, mit Marthe alles zu machen, was er wolle, wurde Abbé Faujas dieser ewigen Ratschlage müde.
    »Ach was, nein!« rief er roh. »Ihre Tochter ist verrückt, sie langweilt mich tödlich, ich will mich nicht mehr mit ihr abgeben … Ich würde den Burschen teuer bezahlen, der sie mir vom Halse schafft.«
    Frau Rougon kniff die Lippen zusammen und sah ihn starr an.
    »Hören Sie, mein Lieber«, antwortete sie ihm nach einigem Schweigen. »Es fehlt Ihnen an Takt; das wird Ihr Verderben sein. Gehen Sie hops, wenn Ihnen das Spaß macht. Kurz und gut, ich wasche meine Hände in Unschuld. Ich habe Ihnen nicht wegen Ihrer schonen Augen geholfen, sondern um unseren Freunden in Paris gefällig zu sein. Man schrieb mir, ich sollte Sie steuern, ich habe Sie gesteuert … Nur merken Sie sich eines: Ich dulde nicht, daß Sie bei mir den Herren spielen. Daß der kleine Péqueur, der Schwachkopf Rastoil beim Anblick Ihrer Soutane zittern, ist gut. Wir, wir haben keine Angst, wir beabsichtigen, die Herren zu bleiben. Mein Mann hat Plassans vor Ihnen erobert, und wir werden Plassans behalten, das sage ich Ihnen im voraus.«
    Von diesem Tag an herrschte zwischen den Rougons und Abbé Faujas große Kälte. Als sich Marthe erneut beklagte, sagte ihre Mutter unumwunden zu ihr:
    »Dein Abbé macht sich über dich lustig. Du wirst bei diesem Mann nie die geringste Befriedigung finden … An deiner Stelle würde ich mir keinen Zwang antun, ihm seine Fehler ins Gesicht zu schleudern. Dazu ist er seit einiger Zeit schmutzig wie ein Dreckfink; ich verstehe nicht, wie du neben ihm essen kannst.«
    Die Wahrheit war, daß Frau Rougon ihrem Gatten einen sehr gewitzten Plan eingegeben hatte. Es handelte sich darum, den Abbé auszustechen, um aus seinem Erfolg Vorteile zu ziehen. Nun, da die Stadt mustergültig wählte, mußte Rougon, der einen offenen Feldzug nicht hatte wagen wollen, genügen, um sie auf dem richtigen Weg zu halten. Der grüne Salon würde dabei nur noch mächtiger werden. Seitdem wartete Félicité mit jener geduldigen Verschlagenheit, der sie ihr Glück verdankte.
    Marthe begab sich an dem Tag, an dem ihre Mutter ihr versicherte, daß sich der Abbé über sie lustig mache, blutenden Herzens, zu einer letzten Anrufung entschlossen, nach SaintSaturnin. Sie blieb zwei Stunden dort in der menschenleeren Kirche, erschöpfte die Gebete, wartete auf die Verzückung, quälte sich, Erleichterung zu suchen. Demut streckte sie auf die Steinplatten nieder, Empörung richtete sie mit zusammengepreßten Zähnen wieder auf, während ihr ganzes Wesen, das wahnsinnig angespannt war, daran zerschellte, daß es nichts ergriff, nichts küßte als nur die Leere ihrer Leidenschaft. Als sie sich erhob, als sie hinausging, schien ihr der Himmel schwarz zu sein; sie spürte nicht das Pflaster unter ihren Füßen, und die engen Straßen hinterließen in ihr den Eindruck unendlicher Einsamkeit. Sie warf ihren Hut und ihren Schal auf den Wohnzimmertisch, sie ging schnurstracks zu Abbé Faujas˜ Zimmer hinauf.
    Der Abbé saß an seinem kleinen Tisch und sann nach; die Feder war seinen Fingern entfallen. Zerstreut öffnete er ihr; aber als er sie ganz bleich, mit einer glühenden Entschlossenheit vor sich erblickte, machte er eine zornige Gebärde.
    »Was wollen Sie?« fragte er. »Warum sind Sie heraufgekommen? – Gehen Sie wieder hinunter und warten Sie auf mich, wenn Sie mir etwas zu sagen haben.«
    Sie stieß ihn zurück, sie trat ein, ohne ein Wort zu sprechen.
    Er schwankte einen Augenblick, kämpfte gegen die Roheit an, die ihn bereits die Hand erheben ließ. Er blieb ihr gegenüber stehen, ohne die weit offenstehende Tür wieder zu schließen.
    »Was wollen Sie?« wiederholte er. »Ich bin beschäftigt.«
    Da machte sie die Tür zu. Als sie allein mit ihm war, trat sie näher. Endlich

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