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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Abendgesellschaften fehlte, aus der Affäre zog, indem er in einen anliegenden Raum entschlüpfte. Faujas durchschritt langsam den ganzen Salon, um die Herrin des Hauses zu begrüßen, die er inmitten einer Gruppe von fünf oder sechs Damen erahnt hatte. Er mußte sich selbst vorstellen; er tat es mit drei Worten.
    Félicité hatte sich schnell erhoben. Sie musterte ihn mit einem raschen Blick vom Kopf bis zu den Füßen, kehrte zum Gesicht zurück, durchforschte mit ihrem Frettchenblick seine Augen, wobei sie lächelnd flüsterte:
    »Ich bin entzückt, Herr Abbé, ich bin wirklich entzückt …«
    Unterdessen hatte der Priester beim Durchqueren des Salons Verwunderung hervorgerufen. Eine junge Frau, die jäh den Kopf gehoben hatte, machte sogar eine verhaltene Schreckensgebärde, als sie diese schwarze Masse vor sich erblickte. Der Eindruck war ungünstig; er war zu groß, zu breitschultrig; er hatte ein zu hartes Gesicht, zu derbe Hände. Unter dem grellen Licht des Kronleuchters wirkte seine Soutane so jämmerlich, daß die Damen eine Art Scham darüber empfanden, einen so schlecht gekleideten Abbé zu sehen. Sie hielten sich ihre Fächer vors Gesicht, sie fingen wieder an zu tuscheln, wobei sie danach trachteten, ihm den Rücken zuzukehren. Die Männer hatten bezeichnenderweise den Mund verzogen und kurze Blicke gewechselt.
    Félicité spürte, wie wenig wohlwollend dieser Empfang war. Sie schien dadurch gereizt; sie blieb mitten im Salon stehen, sprach laut und zwang ihre Gäste, die Komplimente anzuhören, die sie an Abbé Faujas richtete.
    »Der liebe Bourrette«, sagte sie mit schmeichlerischer Stimme, »hat mir erzählt, welche Mühe er hatte, Sie zu überreden …
    Eigentlich müßte ich Ihnen deshalb grollen, Herr Abbé. Sie haben kein Recht, sich so der Welt zu entziehen.«
    Der Priester verneigte sich, ohne zu antworten.
    Lachend fuhr die alte Dame mit besonderem Unterton in gewissen Worten fort:
    »Ich kenne Sie besser, als Sie glauben, trotz Ihrer Sorgfalt, uns Ihre Tugenden zu verbergen. Man hat mir von Ihnen erzählt; Sie sind ein Heiliger, und ich will Ihre Freundin sein … Wir werden über all das sprechen, nicht wahr? Denn nun gehören Sie zu den Unsrigen.«
    Abbé Faujas starrte sie an, als habe er in der Art, wie sie ihren Fächer handhabte, irgendein Freimaurerzeichen erkannt. Er antwortete und senkte dabei die Stimme:
    »Madame, ich stehe zu Ihrer vollen Verfügung.«
    »So verstehe ich es auch«, erwiderte sie lauter lachend. »Sie werden sehen, daß wir hier das Wohl aller wollen … Aber kommen Sie, ich will Sie meinem Mann vorstellen.«
    Sie schritt durch den Salon, störte mehrere Personen, um Abbé Faujas einen Weg zu bahnen, schenkte ihm eine Beachtung, die alle Anwesenden vollends gegen ihn aufbrachte. Im Nebenraum waren Whisttische aufgestellt. Sie ging geradewegs auf ihren Mann zu, der mit der ernsten Miene eines Diplomaten spielte. Er machte eine ungeduldige Handbewegung, als sie sich zu seinem Ohr herabneigte; aber sobald sie ihm einige Worte gesagt hatte, erhob er sich rasch.
    »Ausgezeichnet! Ausgezeichnet!« flüsterte er. Und nachdem er sich bei seinen Spielpartnern entschuldigt hatte, schüttelte er Abbé Faujas die Hand. Rougon war damals ein beleibter bleicher Mann von siebzig Jahren; er hatte das feierliche Aussehen eines Millionärs bekommen. Man fand in Plassans im allgemeinen, daß er einen schönen Kopf habe, den weißen und stummen Kopf einer politischen Persönlichkeit. Nachdem er mit dem Priester einige höfliche Worte gewechselt hatte, nahm er seinen Platz am Spieltisch wieder ein.
    Noch immer lächelnd, war Félicité soeben in den Salon zurückgegangen.
    Als Abbé Faujas endlich allein war, schien er nicht im mindesten verlegen. Er blieb einen Augenblick stehen, um den Spielern zuzusehen; in Wirklichkeit musterte er die Tapeten, den Teppich, die Möbel. Es war ein kleiner sandelholzfarbener Salon mit drei Bücherschränken aus nachgedunkeltem Birnbaum, die mit kupfernen Beschlägen verziert waren und die drei große Flächen des Raumes einnahmen. Man hätte meinen können, es sei das Arbeitszimmer eines höheren Justizbeamten. Der Priester, der zweifellos großen Wert darauf legte, eine vollständige Besichtigung vorzunehmen, durchquerte von neuem den großen Salon. Er war grün, ebenfalls sehr streng, aber stärker mit Vergoldungen beladen, und ähnelte gleichzeitig der behördlichen Gewichtigkeit eines Ministeriums und dem auffallenden Luxus eines großen

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